
Erinnerung an die Wendemaler: Eine verlorene Wandkunst am Friedensplatz
Rüsselsheim verliert ein weiteres Stück seiner künstlerischen Vergangenheit. Mit dem Abriss des ehemaligen Karstadt-Gebäudes am Friedensplatz ist nicht nur ein Wahrzeichen der Innenstadt verschwunden, sondern auch ein bedeutendes Kunstwerk der Wendemaler, einer Künstlergruppe rund um Uwe Wenzel, Martin Kirchberger und Susanne Radau.
Eine bewegte Fassade für eine Stadt im Wandel
1988, im Zuge der Karstadt-Renovierung, entstand eine der bekanntesten Arbeiten der Wendemaler: eine drehbare Lamellenwand, die in ihrer Bewegung die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Stadt darstellte. Die Lamellen zeigten eine Ansicht der Frankfurter Straße in westlicher Richtung um die Jahrhundertwende, ein lebendiges Abbild von Rüsselsheim gestern, heute und morgen. Es war eine gelungene künstlerische Reflexion des ständigen Wandels der Stadt.
Doch dieser Wandel machte auch vor der Kunst der Wendemaler nicht Halt. 30 Jahre nach ihrer Entstehung musste die Fassadengestaltung für einen Neubau weichen – nicht das erste Mal, dass ein Werk der Gruppe für die Stadtentwicklung geopfert wurde. Schon ihr berühmter “Adam Opel Personalausweis”, eine großflächige Wandgestaltung, wurde durch den Neubau eines Bürogebäudes verdeckt.
Vom Kaufhaus zum Wohnraum – und eine verlorene Kunst

Das einstige Kaufhaus wurde ursprünglich 1969 für Neckermann erbaut und 1977 von Karstadt übernommen. Seit Ende 2000 stand das Gebäude leer, bevor es endgültig abgerissen wurde. An seiner Stelle steht nun das moderne Wohnprojekt “Wohnen am Friedensplatz” der Gewobau. Leider wurde dabei nicht an die kunsthistorische Bedeutung der Fassade gedacht – die Wandkunst der Wendemaler ist unwiederbringlich verloren.
Es bleibt zu hoffen, dass die Gewobau in Zukunft vielleicht einen künstlerischen Bezug zu den Wendemalern herstellt, so wie sie es im Malerviertel mit kunstvollen Fassadengestaltungen bereits getan hat. Schließlich haben die Wendemaler in den 90er Jahren das Stadtbild geprägt – von der Karstadt-Fassade über den Lassalleplatz bis hin zum Hasenbrunnen. Ihre Handschrift ist an vielen Orten sichtbar geblieben, doch die Frage bleibt: Wie viel Platz bleibt für Kunst in einer sich stetig verändernden Stadt?