TROMPE L`OEIL

Die Illusion der Vergangenheit – Die künstliche Ruine im Verna-Park

Der Verna-Park ist nicht nur eine grüne Oase mitten in Rüsselsheim, sondern auch ein Spiegel der romantischen Gartengestaltung des 18. und 19. Jahrhunderts. Neben weitläufigen Spazierwegen, historischen Baumgruppen und verwunschenen Ecken findet man hier ein besonderes gestalterisches Element jener Zeit: die künstliche Ruine.

Ruinen als romantische Sehnsuchtsorte

In der Gartenkunst jener Zeit war es en vogue, bewusst künstliche Ruinen zu errichten. Sie sollten als Symbol für Vergänglichkeit dienen, aber auch als Ort der Inspiration und Kontemplation. Eine Ruine erzählte Geschichten aus einer vermeintlich vergangenen Epoche, sie weckte Assoziationen an eine verlorene Welt, die nur noch in Fragmenten existiert.

Auch die Ruine im Verna-Park folgt dieser Ästhetik. Besonders auffällig ist der große Torbogen an ihrer Südseite, der mehr als nur eine bauliche Öffnung darstellt. Er ist ein Fenster in eine Illusion – denn wer mit genügend Abstand darauf blickt, erhascht einen Anblick, der in Wirklichkeit gar nicht existiert.

Trompe L’Œil – Die Kunst der perfekten Täuschung

Hinter dem Torbogen erstreckt sich eine weite Landschaft – oder besser gesagt, eine perfekte Illusion davon. Es handelt sich um eine Trompe L’Œil-Malerei (frz. „täusche das Auge“), eine raffinierte Technik, die das Gehirn überlistet und räumliche Tiefe suggeriert, wo in Wahrheit nur eine flache Oberfläche existiert. Diese illusionistische Malerei hat ihre Wurzeln im Mittelalter, erreichte jedoch in der Renaissance ihre volle Blütezeit.

Eine kleine Inschrift an der Ruine informiert über dieses kunstvolle Detail:

„Illusionistisches Landschaftspanorama. Teil der künstlichen Ruine des Landschaftsgartens, um 1865. Ursprüngliche Malerei mehrmals verändert.“

Von der Ölfarbe zur digitalen Grafik – Ein Stück Stadtgeschichte

Die ursprüngliche Malerei wurde im Laufe der Jahre mehrfach erneuert. Die letzte Veränderung fand 1996 statt, als der Rüsselsheimer Künstler Uwe Wenzel das Bild neu interpretierte – allerdings nicht mehr als klassisches Ölgemälde, sondern als digitale Druckgrafik angelehnt an Pixelart.

Uwe Wenzel war nicht nur für dieses Kunstwerk bekannt, sondern prägte als Mitbegründer der Künstlergruppe „Wendemaler“maßgeblich das Stadtbild von Rüsselsheim in den 1980er Jahren. Die Wendemaler schufen zahlreiche öffentliche Kunstwerke, darunter Wandmalereien und Fassadengestaltungen, die noch heute im Stadtbild zu entdecken sind.

Ein vergängliches Kunstwerk?

Wie lange das illusionistische Landschaftsbild noch erhalten bleibt, ist ungewiss. So wie die ursprünglichen Malereien verblassten oder überarbeitet wurden, könnte auch diese Darstellung eines Tages wieder verändert oder gar entfernt werden. Damit folgt die künstliche Ruine ihrem eigenen Symbolcharakter: Sie bleibt ein Ort des Wandels, der Vergänglichkeit – und der Illusion.

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