Alte Mühle im Verna Park*

29. August 2017

 

Die 1850 als Eremitage angelegte künstliche Mühle beherbergte einst eine Dampfmaschine, welche die Wasserspiele im nahegelegenen Teich antrieb. 1976 wurde das Gebäude jedoch umgebaut und dem benachbarten „Haus der Senioren“ zur Verfügung gestellt. 

Nach einem Brand 1992 konnte die unter Denkmalschutz stehende Mühle nicht mehr genutzt werden. 1995 war aufgrund fehlender Gelder nur eine Sanierung der Fassade möglich. Erst im Sommer 2017 gelang die komplette Instandsetzung des Gebäudes.

Als Kind , vor allem nach dem Brand, hatte ich immer ein mulmiges Gefühl, denn genauso wie die Mühle stellte ich mir immer ein Hexenhäuschen vor. Die hohen Bäume und die künstlichen Ruinen im Verna Park verstärkten für mich das Gefühl, in einem mystischen Märchenwald zu sein.

 

Die „Alte Mühle“ – oder auch Eremitage genannt – befindet sich im Stadtpark von Rüsselsheim, der überdies den Namen Verna-Park trägt. Er stellt in seiner Einheit ein amtlich geschütztes Kulturdenkmal dar, das vor allem Zeugnis vom Naturverständnis in spätromantischer Zeit ablegt. Der gesamten Anlage kann aus kunsthistorischer sowie landschaftsarchitektonischer Sicht ein besonderer Stellenwert zugeschrieben werden. Die einzelnen Garten-Elemente, zu denen neben exotischen und seltenen Gehölzen u.a. eine Ruine, Statuen, ein Obelisk und auch eine Grotte gehören, wurden nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten arrangiert. Für den Besucher oder die Besucherin bieten sie einen visuell erlebbaren, wechselvollen und überraschenden Schauraum mit unterschiedlichen Bildern, die sich je nach Standort im Park verändern.

Allerdings hat sich der ursprüngliche Eindruck der Anlage durch den Abriss der südlichen Parkmauer entlang der Frankfurter Straße gewandelt. Einen weiteren Eingriff in das alte Konzept stellte die Befestigung der ehemals naturbelassenen Wege mit Asphalt dar.

Die Geschichte des Parks ist eng verbunden mit der Familie von Verna. Sie kaufte 1839 das Rüsselsheimer Amtshaus zusammen mit den angrenzenden Wiesen und Flächen. Nach dem frühen Tod von Wilhelm von Verna (1806–1843) begann seine kinderlose Witwe Wilhelmine (1803–1878) damit, auf dem erworbenen Gelände nach ihren Vorstellungen den besagten Landschaftspark einzurichten. Nach ihrem Tod fiel der Besitz an Ernst von Seckendorff-Verna, der den Park 1911 an die Stadt Rüsselsheim veräußerte. Sie stellte ihn dann im folgenden Jahr für die Öffentlichkeit zur Verfügung.

Die Alte Mühle liegt am Rande des Parks auf einem Hügel in der Nähe eines künstlichen Teichs. Sie wurde als Einsiedelei oder Eremitage erbaut und sollte als ein Refugium dienen, in das man sich bei Bedarf zurückziehen konnte. Ihre schlichte, ländliche Architektur steht in einem gewissen Gegensatz zur repräsentativen Bauweise des an den Park angrenzenden Palais und entspricht romantischen Vorstellungen von einem pittoresken Ort in der einfachen Natur. Der Bau besteht aus einem in den Hang gemauerten Erdgeschoss, auf das ein zweites Geschoss in Fachwerkbauweise aufgelegt ist. Die zerklüftete Dachlandschaft des Gebäudes mit einem hohen Kamin verleiht der ganzen Anlage ein malerisches Aussehen. Einst gehörte noch ein Mühlrad zur Ausstattung, das sich nach Bedarf in Bewegung setzen ließ. Für den Antrieb wurde eine Dampfmaschine genutzt, die auch an die Pumpe für den Springbrunnen mit der Kranich-Figur im großen Teich angeschlossen war. Wann genau der Einbau erfolgte, ist heute nicht mehr bekannt. Dass die Dampfmaschine damals die Gartenidylle gestört haben könnte, wie man heute meinen wird, ist nicht anzunehmen, da in jener Zeit sicherlich der Stolz auf den Besitz einer so modernen Maschine überwog.

Das Schicksal der Alten Mühle im 20. Jahrhundert war wechselhaft. 25 Jahre lang befand sie sich nicht in Gebrauch und diente lediglich als Abstellplatz für Gartengeräte der Stadtgärtnerei. 1976 wurde das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Gebäude dem nahegelegenen „Haus der Senioren“ zur Verfügung gestellt. 1992 zerstörte dann ein Brand den Dachstuhl und Teile des Obergeschosses, das 1995 zumindest von außen wiederhergestellt werden konnte. Witterungseinflüsse und Vandalismus zogen das Gebäude allerdings in den folgenden Jahren weiter in Mitleidenschaft, bis endlich 2017 eine gründliche Sanierung in Angriff genommen werden konnte. Dabei wurde die Geschossdecke komplett erneuert und die Außenfassade ausgebessert. Im Außenbereich wurden Büsche und Bäume zurückgeschnitten, so dass nach langer Zeit wieder eine freie Sicht auf die Eremitage besteht. Die Sanierung war Teil von Maßnahmen im Vorfeld des Hessentages, der 2017 in Rüsselsheim stattfand.

Seither wird die Mühle für kleinere Events und Veranstaltungen genutzt. Auch als Ausstellungsraum hat sie bereits gedient. Im Laufe ihrer Geschichte hat sie damit einen erstaunlichen Wandel durchlebt: Ursprünglich als Refugium erbaut, um dem Alltag zu entfliehen und sich in der Natur zu ergehen, wurde aus ihr später eine „Abstellkammer“, die heute frisch renoviert als Domizil für Kunst und Kultur fungiert und ein Treffpunkt für das gesellige Leben in der Stadt ist.

Literatur

Gorenflo, Roger M. (1981). Der Rüsselsheimer Stadtpark. Ein Englischer Garten am Main aus der Zeit der ausgehenden deutschen Spätromantik. Die historischen Hintergründe und die ursprüngliche Konzeption der Gartenanlage. Rüsselsheim.
Maul, Bärbel (2013). Gartenromantik in der Industriegemeinde – der Verna-Park in Rüsselsheim. In: Formann, Inken (Hg.). RheinMainRomantik – Gartenkunst. Interdisziplinäre Fachtagung, 19. bis 22. September 2012, in Hanau-Wilhelmsbad, Bad Homburg vor der Höhe und Rüdesheim am Rhein (185–190). Regensburg.
Metzner, Ernst Erich; Helm, Arnim (1987). Rüsselsheimer Rundwege – mit einer Einführung in die Landschaft und die Geschichte des Stadtgebiets (Band 1–4). Rüsselsheim.

Quellen

Text und Foto: Jennifer Berger
http://www.artmap.kreativnoma.de/alte-muehle-im-verna-park/ [04.07.2018]

http://www.gg-online.de/html/verna_park.htm [04.07.2018]
Main-Spitze vom 07.08.2016, 04.03.2017.
Rüsselsheimer Echo vom 10.09.2016, 02.07.2018.



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