Gewerbebrunnen*
1976 entwarf der Künstler Professor Blasius Spreng, der unter anderem den Fastnachtsbrunnen in Mainz gestaltet hat, den Gewerbebrunnen in Rüsselsheim. Der Gewerbeverein von 1888, den einst Adam Opel ins Leben rief, ermöglichte die Umsetzung dieses Projektes. Den sechs Meter hohen Brunnen zieren auf Anregung des damaligen Vereinsvorstands Adam Heinrich Enders 33 Wappen unterschiedlicher Zünfte sowie verschiedene detailverliebte Figuren. Auf den Querstreben des Brunnens sind die Namen der einstigen Spender eingraviert.
Die Aufstellung des Gewerbebrunnens auf dem Rüsselsheimer Marktplatz geht auf eine Initiative des Rüsselsheimer Gewerbevereins zurück, zu dessen 90. Jubiläum die Einweihung am 13. Oktober 1978 erfolgte. Den Entwurf für dieses Objekt lieferte der Münchner Bildhauer Blasius Spreng (1913–1987), der gut zehn Jahre früher auch den Mainzer Fastnachtsbrunnen schuf. Der sechs Meter hohe Gewerbebrunnen in Rüsselsheim steht auf einem kreisrunden, nur leicht erhöhten Sockel, der mit Granitsteinen ausgelegt wurde. Auf dem Pflaster ruht ein wuchtiger Betontrog mit drei hohen Betonpfeilern, die ein verspieltes Bronzegestell tragen. Auf ihm befestigt, befinden sich verschiedene Objekte, Figuren, Handwerksutensilien und Embleme, die für die unterschiedlichen Handwerksberufe stehen sollen. Die Anzahl der vertretenen Wappen wird in den Quellen unterschiedlich angegeben, mal ist von 28, anderenorts von 35 die Rede (vgl. u.a. Main-Spitze, 17.08.1978; Otto 1988, 170f.). Wenn man aktuell nachzählt, kommt man allerdings auf eine Gesamtzahl von 33 Wappen. Erinnert wird mit ihnen an alte Berufe wie den Weinbauer, Instrumentenbauer, Zeichenlehrer, Uhrmacher oder auch an Wandergesellen. Für eine moderne Industriestadt wie Rüsselsheim wirkt diese Auswahl eher untypisch, lässt sich aber als zeitbedingter Ausdruck einer gewissen „Modernitätskrise“ (vgl. Lipp 2008, 43) und Sehnsucht nach überschaubaren Strukturen verstehen. Dazu passt auch das ganze Konzept der Initiatoren, die meinten, dass zu einem richtigen Marktplatz nicht zuletzt ein Brunnen gehören müsse (vgl. Gewerbeverein 2013, 26). Da solche Wasserquellen aber heutzutage gar nicht mehr benötigt werden, ist der Gewerbebrunnen in Rüsselsheim als reiner Zierbrunnen zu betrachten.
Zur Finanzierung des Objektes hatte man Spenden in Höhe von ungefähr 100.000 DM gesammelt. Auch die Opel AG gehörte zu den besonders großzügigen Wohltätern. Im Nachlass des Ehrenvorsitzenden des Gewerbevereins Adam Heinrich Enders befindet sich eine Liste aller Geldgeber, die insgesamt 112 Einzelspenden umfasst (vgl. SAR, Nachlass Enders). Alle, die seinerzeit etwas gaben, wurden mit ihrem Namen auf einer der bronzenen Querstreben direkt am Brunnen verewigt. Dadurch sollte die „Verbundenheit der Stadt mit ihren Bürgern“ ausgedrückt werden, wie Bürgermeister Dr. Karl-Heinz Storsberg schon 1976 gegenüber der Presse betonte (Main-Spitze, 21.05.1976; Rüsselsheimer Echo, 20.05.1976).
Die Einweihung des Brunnes im Herbst 1978 war ein aufmerksamkeitswirksames Ereignis. Unter den Gratulanten befanden sich u.a. der damalige Landtagspräsident Dr. Hans Wagner, Staatssekretär Kirst und der Bundestagsvizepräsident Dr. Hermann Schmitt-Vockenhausen. Auch Delegationen der Partnerstädte Evreux und Rugby waren zur Festwoche nach Rüsselsheim gekommen, um in der Stadt den neuen Brunnen und das Jubiläum des Gewerbevereins zu feiern. 10 Jahre später, zum 100. Geburtstag des Vereins, legte dieser dann noch einmal nach und stattete seinen Brunnen zusätzlich mit einer Innenbeleuchtung und Wasserfontäne aus, um seine pittoreske Wirkung zu unterstreichen. In die Jahre gekommen, steht der Gewerbebrunnen heute auf dem Rüsselsheimer Markt so da, als hätte es ihn schon immer gegeben.
Literatur
Gewerbeverein Rüsselsheim (Hg.) (1988). 100 Jahre Gewerbeverein 1888 e.V. Rüsselsheim. Rüsselsheim.
Gewerbeverein Rüsselsheim (Hg.) (2013). 125 Jahre Gewerbeverein Rüsselsheim 1888 e.V. Chronik 2.0. Rüsselsheim.
Lipp, Wilfried (2008). Kultur des Bewahrens. Schrägansichten zur Denkmalpflege. Wien u.a.
Otto, Rudolf (1988). Kunstdenkmäler und Kunst am Bau in Rüsselsheim. Rüsselsheim.
Quellen
Denkmalkataster der Stadt Rüsselsheim (1992–1994). Kulturgegenstände der Stadt Rüsselsheim. Manuskript. Rüsselsheim (Stadtverwaltung).
Heimatverein Rüsselsheim (HVR) 1905 e.V., Fotos Denkmäler/Gewerbebrunnen.
Main-Spitze vom 17.08.1978 (Heimatverein Rüsselsheim 1905 e.V.).
Main-Spitze vom 20. & 21.05.1976 (StAR).
Rüsselsheimer Echo vom 20. & 21.05.1976 (StAR).
Stadtarchiv Rüsselsheim (StAR), Nachlass Adam Heinrich Enders.
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