

Der Gewerbebrunnen in Rüsselsheim – Denkmal des Handwerks oder Mahnmal des Wandels?
Ein Brunnen als Hommage an das Handwerk
1976 entwarf der Bildhauer Professor Blasius Spreng den Gewerbebrunnen in Rüsselsheim. Der Künstler, der auch den bekannten Fastnachtsbrunnen in Mainz gestaltete, schuf ein beeindruckendes sechs Meter hohes Monument, das an die lange Geschichte des Handwerks in der Stadt erinnert.
Ermöglicht wurde dieses Projekt durch den Gewerbeverein von 1888, den einst Adam Opel ins Leben rief. Auf Initiative des damaligen Vereinsvorstands Adam Heinrich Enders zieren den Brunnen insgesamt 33 Zunftwappen, die die Vielfalt des Handwerks symbolisieren. Zudem sind kunstvolle Figuren und auf den Querstreben des Brunnens die Namen der einstigen Spender eingraviert – ein Zeugnis für das große Engagement der lokalen Wirtschaft.
Der Rüsselsheimer Gewerbeverein – Von Adam Opel bis heute
Der Rüsselsheimer Gewerbeverein wurde 1888 gegründet und spielte eine zentrale Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. Adam Opel, der als einer der wichtigsten Unternehmer der Region gilt, hatte erkannt, dass der wirtschaftliche Erfolg nicht nur von großen Firmen, sondern auch von kleinen und mittelständischen Betrieben abhängt.
Über die Jahre hinweg hat der Gewerbeverein zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen, um den lokalen Handel zu fördern. Er war Mitorganisator von Gewerbeschauen, unterstützte Existenzgründer und setzte sich für eine Belebung der Innenstadt ein. Doch wie in vielen anderen Städten kämpft auch Rüsselsheim mit dem Einzelhandelssterben und der zunehmenden Verdrängung durch Online-Handel und große Filialketten.
Vom Symbol des Handwerks zum Mahnmal des Wandels
Ursprünglich sollte der Gewerbebrunnen die Bedeutung des Handwerks und der lokalen Wirtschaft würdigen. Doch heute wirkt er fast wie ein Mahnmal für das, was verloren gegangen ist. Die einst belebte Rüsselsheimer Innenstadt kämpft mit Leerstand, und viele der kleinen Geschäfte, die früher das Stadtbild prägten, gibt es nicht mehr.
„Als dieser Brunnen errichtet wurde, war die Innenstadt noch voller Leben. Heute steht er da wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, ein Denkmal für eine Wirtschaft, die es in dieser Form kaum noch gibt.“
Die Gravuren der einstigen Spender sind eine Erinnerung daran, wie eng der Einzelhandel und das Handwerk einst mit der Stadt verwoben waren. Doch während große Einkaufszentren und Online-Plattformen florieren, verschwinden die kleinen Läden und mit ihnen das, was Rüsselsheim einst ausmachte.
Fazit – Erhaltung oder Neuausrichtung?
Der Gewerbebrunnen in Rüsselsheim ist mehr als nur ein kunstvolles Denkmal – er ist ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklung. Vielleicht ist es an der Zeit, dieses Wahrzeichen nicht nur als Erinnerung zu betrachten, sondern es auch zum Symbol für einen neuen Aufbruch zu machen. Es bleibt die Frage, ob und wie die Stadt es schafft, den lokalen Handel wieder zu stärken, oder ob der Brunnen bald nur noch eine nostalgische Erinnerung an eine vergangene Ära bleibt.
Quellen
- Gewerbeverein Rüsselsheim e.V.: www.gewerbeverein-ruesselsheim.de
- Stadtarchiv Rüsselsheim
- Blasius Spreng – Werke und Biografie
- Persönliche Erinnerungen und Beobachtungen
Der Gewerbebrunnen in Rüsselsheim – Ein Denkmal des Handwerks
Eine Initiative des Gewerbevereins
Die Aufstellung des Gewerbebrunnes auf dem Rüsselsheimer Marktplatz geht auf eine Initiative des Rüsselsheimer Gewerbevereins zurück. Die Einweihung fand am 13. Oktober 1978 statt und markierte das 90-jährige Bestehen des Vereins. Der Entwurf stammt von dem Münchner Bildhauer Blasius Spreng (1913–1987), der gut zehn Jahre zuvor auch den bekannten Fastnachtsbrunnen in Mainz geschaffen hatte.
Gestaltung und Symbolik des Brunnens
Der sechs Meter hohe Gewerbebrunnen erhebt sich auf einem kreisrunden, leicht erhöhten Sockel, der mit Granitsteinen ausgelegt wurde. Auf dem Pflaster ruht ein massiver Betontrog, aus dem sich drei hohe Betonpfeiler erheben. Sie tragen ein kunstvolles Bronzegestell, auf dem zahlreiche Figuren, Handwerksutensilien und Embleme befestigt sind. Diese repräsentieren verschiedene Handwerksberufe, die für die Wirtschaftsgeschichte Rüsselsheims von Bedeutung waren.
Die genaue Anzahl der Zunftwappen ist in den Quellen unterschiedlich dokumentiert: Manche sprechen von 28, andere von 35 Wappen (vgl. Main-Spitze, 17.08.1978; Otto 1988, 170f.). Zählt man heute nach, kommt man auf insgesamt 33 Wappen. Sie erinnern an alte Berufe wie den Weinbauer, den Instrumentenbauer, den Zeichenlehrer, den Uhrmacher oder die Wandergesellen. Für eine Industriestadt wie Rüsselsheim erscheint diese Auswahl eher untypisch. Sie spiegelt jedoch eine Zeit wider, in der eine gewisse „Modernitätskrise“ herrschte und die Sehnsucht nach überschaubaren, traditionellen Strukturen wuchs (vgl. Lipp 2008, 43).
Finanzierung und Spender
Die Umsetzung des Brunnens wurde durch Spenden finanziert. Insgesamt wurden etwa 100.000 DM gesammelt, darunter auch eine großzügige Spende der Opel AG. Im Nachlass des Ehrenvorsitzenden des Gewerbevereins, Adam Heinrich Enders, befindet sich eine Liste mit 112 Einzelspenden (vgl. SAR, Nachlass Enders). Alle Spender wurden auf bronzenen Querstreben des Brunnens verewigt – ein Zeichen der „Verbundenheit der Stadt mit ihren Bürgern“, wie Bürgermeister Dr. Karl-Heinz Storsberg 1976 betonte (Main-Spitze, 21.05.1976; Rüsselsheimer Echo, 20.05.1976).
Einweihung und Weiterentwicklung
Die Einweihung des Gewerbebrunnens im Herbst 1978 war ein großes Ereignis, das zahlreiche prominente Gäste anzog, darunter:
- Landtagspräsident Dr. Hans Wagner
- Staatssekretär Kirst
- Bundestagsvizepräsident Dr. Hermann Schmitt-Vockenhausen
- Delegationen aus den Partnerstädten Evreux (Frankreich) und Rugby (England)
Zum 100-jährigen Bestehen des Gewerbevereins im Jahr 1988 wurde der Brunnen zusätzlich mit einer Innenbeleuchtung und einer Wasserfontäne ausgestattet, um seine pittoreske Wirkung zu unterstreichen.
Ein Brunnen als Zeitzeuge
Heute steht der Gewerbebrunnen auf dem Rüsselsheimer Markt, als hätte es ihn schon immer gegeben. Er ist nicht nur ein Denkmal für das Handwerk, sondern auch ein Symbol für die Veränderung der Stadt. Während die Namen der Spender an die einst florierende Wirtschaft erinnern, hat sich das Stadtbild gewandelt. Der Gewerbebrunnen steht damit stellvertretend für eine Zeit, in der lokale Gewerbe noch das Stadtbild prägten – eine Zeit, die zunehmend verblasst.
Quellen und Literatur
- Gewerbeverein Rüsselsheim (Hg.) (1988). 100 Jahre Gewerbeverein 1888 e.V. Rüsselsheim. Rüsselsheim.
- Gewerbeverein Rüsselsheim (Hg.) (2013). 125 Jahre Gewerbeverein Rüsselsheim 1888 e.V. Chronik 2.0. Rüsselsheim.
- Lipp, Wilfried (2008). Kultur des Bewahrens. Schrägansichten zur Denkmalpflege. Wien u.a.
- Otto, Rudolf (1988). Kunstdenkmäler und Kunst am Bau in Rüsselsheim. Rüsselsheim.
Quellen
- Denkmalkataster der Stadt Rüsselsheim (1992–1994). Kulturgegenstände der Stadt Rüsselsheim. Manuskript. Rüsselsheim (Stadtverwaltung).
- Heimatverein Rüsselsheim (HVR) 1905 e.V., Fotos Denkmäler/Gewerbebrunnen.
- Main-Spitze vom 17.08.1978 (Heimatverein Rüsselsheim 1905 e.V.).
- Main-Spitze vom 20. & 21.05.1976 (Stadtarchiv Rüsselsheim).
- Rüsselsheimer Echo vom 20. & 21.05.1976 (Stadtarchiv Rüsselsheim).
- Stadtarchiv Rüsselsheim, Nachlass Adam Heinrich Enders.