
Die Evangelische Kirche Bauschheim: Barocke Eleganz und gotische Wurzeln
Die Evangelische Kirche im Rüsselsheimer Stadtteil Bauschheim ist ein faszinierendes Beispiel für die Verbindung von Geschichte, Architektur und regionaler Identität. Ihr heutiges Erscheinungsbild verdankt sie dem Barock, doch ihre Wurzeln reichen tief in die mittelalterliche Vergangenheit zurück.
Im Jahr 1712 ließ der Baumeister Friedrich Sonnemann an der Stelle einer einstigen Wehrkirche einen neuen Sakralbau im barocken Stil errichten. Die barocke Architektur, geprägt von harmonischer Symmetrie, geschwungenen Formen und repräsentativen Elementen, löste damit den nüchternen Stil der gotischen Vorgängerbauten ab. Dennoch blieben bedeutende Teile der alten Anlage erhalten: Die ursprüngliche Umfassungsmauer sowie das gotische Torhaus mit seinem spitzbogigen Eingang bilden eine beeindruckende Reminiszenz an das Mittelalter.
Bauschheim – Ein Ort mit langer Geschichte
Erstmals um 830 im Lorscher Reichsurbar erwähnt, blickt Bauschheim auf über 1.000 Jahre Geschichte zurück. Die ehemals selbstständige Gemeinde wurde 1970 nach Rüsselsheim eingemeindet – ein bedeutender Einschnitt für den Ort, der damals etwa 2.900 Einwohner zählte. Heute leben hier rund 6.100 Menschen, doch der historische Kern entlang der Brunnenstraße bewahrt den Charme vergangener Jahrhunderte. Liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser, von denen viele aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen, zeugen von der einstigen Bedeutung der Landwirtschaft und des Handwerks für die Region.
Ein barockes Juwel mit gotischen Anklängen
Die Evangelische Kirche bildet mit ihrem Walmdach und dem markanten Haubendachreiter das Zentrum dieses malerischen Viertels. Ihr Inneres besticht durch eine bemerkenswerte flache Holzdecke, die mit einer sternförmigen Felderteilung sowie kunstvoller Rankenbemalung verziert ist – ein typisches Element barocker Dekoration, das 1906 wieder freigelegt und restauriert wurde.
Besonders eindrucksvoll sind die umlaufenden Emporen, die mit fein gearbeitetem Schnitzwerk verziert sind, sowie die original erhaltene Kanzel und der Altar, die beide noch aus der Erbauungszeit stammen. Diese Gestaltung ist charakteristisch für protestantische Kirchen des Barock: Die klare Gliederung des Raumes, der funktionale Aufbau und die Hervorhebung der Kanzel unterstreichen die Bedeutung der Predigt und des Wortes Gottes in der evangelischen Liturgie.
Geschichte im öffentlichen Raum – Vom Dorfbrunnen bis zum Schellenmann
Vor der Kirche steht eine weitere Besonderheit: ein Nachbau des Dorfbrunnens, der ursprünglich 1740 errichtet wurde. Das Original dieses historischen Brunnens wird heute im Stadt- und Industriemuseum Rüsselsheim aufbewahrt.
Nur wenige Schritte entfernt erinnert eine Bronzefigur an den „Bauschheimer Schellenmann“ – eine charmante Hommage an den einstigen Ortsdiener, der bis ins 20. Jahrhundert hinein die wichtigsten Neuigkeiten im Dorf verkündete. Mit seiner Glocke zog er durch die Straßen und informierte die Bewohner über Marktzeiten, Verordnungen oder besondere Ereignisse – eine Tradition, die in vielen ländlichen Gemeinden noch bis ins frühe 20. Jahrhundert lebendig war.
Ein lebendiges Denkmal barocker Baukunst
Die Evangelische Kirche Bauschheim ist weit mehr als nur ein religiöses Gebäude – sie ist ein Zeugnis des architektonischen Wandels, der kulturellen Identität und der lebendigen Geschichte des Ortes. Ihre Verbindung aus barocker Eleganz und gotischen Relikten macht sie zu einem einzigartigen Bauwerk, das Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet. Wer diesen Ort besucht, taucht ein in ein Stück hessischer Kulturgeschichte, das bis heute das Ortsbild und das Leben in Bauschheim prägt.