GEDENKTAFEL KINSTERER FRIEDHOF


Gefallenengedenktafel auf dem Königstädter Friedhof – Erinnerung oder einseitige Geschichtsschreibung?

Auf dem Königstädter Friedhof findet sich – wie in vielen deutschen Städten und Gemeinden – eine Gedenktafel für die Gefallenen der Weltkriege. Diese Tafeln sind Teil der deutschen Erinnerungskultur, doch sie werfen auch kritische Fragen auf:

Wen erinnern wir?

Wie wird Geschichte auf solchen Tafeln erzählt?

Wer bleibt in diesen Darstellungen unsichtbar?

Gerade in einer Stadt wie Rüsselsheim, die stark von Migration, Industrie und sozialem Wandel geprägt ist, sollte das Gedenken nicht nur aus der Perspektive der deutschen Soldaten betrachtet werden.

Die Tradition der Gefallenengedenktafeln

Solche Gedenktafeln wurden nach den beiden Weltkriegen in ganz Deutschland errichtet. Sie dienten dazu, den im Krieg gefallenen Soldaten zu gedenken – oft mit Formulierungen wie „Für das Vaterland gefallen“ oder „Sie starben für Deutschland“.

Die Frage ist jedoch: Welche Geschichte erzählen sie?

• Die Tafeln erinnern fast ausschließlich an die eigenen Verluste, nicht an das Leid der Opfer, die durch die deutsche Kriegsführung zu Tode kamen.

• Sie beschreiben oft die Soldaten als Helden oder als Opfer, verschweigen jedoch in vielen Fällen die politische Verantwortung für den Krieg.

• Sie lassen die geschichtlichen Ursachen außen vor – der Nationalsozialismus, die Expansionspolitik, die Kriegsverbrechen.

In Deutschland wurde nach dem Ersten Weltkrieg mit der sogenannten „Dolchstoßlegende“ gearbeitet, die die Niederlage als Verrat im Inneren deutete und nicht als Folge des deutschen Imperialismus. Die Gedenkkultur der 1920er-Jahre verstärkte oft dieses verzerrte Bild.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Phase der Schuldverdrängung – viele Kriegerdenkmäler wurden unverändert stehen gelassenoder lediglich um die Jahreszahlen 1939-1945 ergänzt, ohne sich mit der Verantwortung auseinanderzusetzen.

Einseitiges Gedenken auf dem Königstädter Friedhof?

In Königstädten wurde nach dem Zweiten Weltkrieg eine Gedenktafel für die Gefallenen des Ortes errichtet. Die Frage ist: Wie wird hier erinnert?

• Werden nur die gefallenen deutschen Soldaten genannt oder wird auch auf die zivilen Opfer hingewiesen?

• Wird der historische Kontext des Zweiten Weltkriegs mit einbezogen?

• Gibt es eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Wehrmacht, die bewiesen sind und nicht unter „alle waren Opfer“ fallen?

Viele solcher Tafeln lassen Opfer der NS-Herrschaft völlig unerwähnt – Zwangsarbeiter, Widerstandskämpfer, jüdische Bürgerinnen und Bürger, die ermordet wurden. Gerade in Rüsselsheim gab es Zwangsarbeiterlager, viele von ihnen starben durch Misshandlungen, Hunger oder Luftangriffe.

Wie kann man in Königstädten also Gedenken gestalten, ohne Geschichte zu verzerren?

Erinnerungskultur im Wandel – was sollte ein modernes Denkmal leisten?

Moderne Erinnerungskultur muss inklusiv, kritisch und vielschichtig sein. Ein Denkmal für die Opfer des Krieges sollte:

1. Den historischen Kontext einordnen:

• Wer war Täter, wer war Opfer?

• Welche politischen Entscheidungen haben zum Krieg geführt?

2. Auch an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern:

• Zwangsarbeiter, jüdische Bürger, politische Gefangene, Kriegsgefangene.

3. Nicht in nationaler Verengung gedenken:

• Der Zweite Weltkrieg war eine globale Katastrophe – ein Denkmal sollte nicht nur den „eigenen“ Opfern eine Stimme geben.

4. Verantwortung anerkennen:

• Ein Denkmal darf nicht nur an den Tod erinnern, sondern sollte auch eine Botschaft für die Zukunft enthalten.

Ein Vorschlag für Königstädten

Die Gefallenengedenktafel auf dem Königstädter Friedhof könnte umgestaltet oder ergänzt werden:

Eine zusätzliche Tafel, die den historischen Kontext liefert:

• Warum brach der Krieg aus?

• Welche Rolle spielte Deutschland als Aggressor?

• Welche Opfergruppen gibt es neben den Soldaten?

Ein Hinweis auf Rüsselsheim als Industriestandort und den Einsatz von Zwangsarbeitern, die ebenfalls in den Kriegsjahren starben.

Ein Denkmal für den Frieden statt nur für die Gefallenen, das darauf hinweist, wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen.

Fazit: Gedenken muss kritisch bleiben

Erinnerungskultur ist nie neutral – sie formt unser Verständnis von Geschichte und beeinflusst, wie wir über die Vergangenheit nachdenken. Eine Gedenktafel, die nur an gefallene Soldaten erinnert, ohne die dunklen Kapitel der Geschichte zu benennen, kann leicht in nostalgische Verklärung abrutschen.

Gerade in einer Stadt wie Rüsselsheim, die für Vielfalt, Migration und einen internationalen Austausch steht, sollte Erinnerung nicht einseitig sein. Die Gefallenengedenktafel auf dem Königstädter Friedhof ist ein Dokument ihrer Zeit, aber sie sollte hinterfragt, ergänzt und in einen modernen Erinnerungsdiskurs eingebettet werden.

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