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Kant-Denkmal*

24. August 2017

Der kategorische Imperativ aus Sichtbeton & Aluminium. Eine Riesenplastik, dazu die Fakten: 5 knapp 10 Meter hohe Pfeiler mit einem Gesamtgewicht von 35 Tonnen (so viel wie 24 Opel Kapitäne oder 32 Opel Adams). Stellt man sich ins Zentrum der Plastik des Künstlers Knud Knudsen, so scheinen die Pfeiler den Blick in den Himmel zu lenken. Die vier Spitzen einer Windrose verstärken diesen Eindruck, und man selbst hat für einen kurzen Augenblick das Gefühl, der Mittelpunkt der Erde zu sein. Die Inschrift in der Mitte bestätigt das Empfinden letztendlich:

 

„Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir“

 

Die Plastik befindet sich seit 1969 auf dem öffentlichen Teil des Schulgeländes der Immanuel-Kant-Schule.

 

Für mich persönlich hat sie eine ganz besondere Bedeutung, da ich auf der IKS die Schulbank gedrückt habe und sie immer etwas von einem Mahnmal hatte, ein Mahnmal, das mich daran erinnerte, pünktlich in die Schule zu kommen.

In den 1960er-Jahren stand die Gesellschaft der Bundesrepublik vor großen Herausforderungen:
Global herrschte der Kalte Krieg, international und national hatten sich Reform- und Protestbewegungen gegen die althergebrachte, konservative Werteordnung formiert und intellektuelle Linksbewegungen sorgten für einen regen politischen Schlagabtausch:
Die Gesellschaft befand sich in einem „Spannungsverhältnis von dominanten und alternativen Lebensformen“ (Hickethier 2003, 11).

Sie erschien polarisiert zwischen Altem und Neuem, Vergangenheit und Zukunft, Ost und West. In diesem Klima beschloss Rüsselsheim als erste Stadt im 20. Jahrhundert (vgl. Magistrat 1988, 3), dem Königsberger Philosophen Immanuel Kant ein Denkmal zu setzen. Ein Denkmal ist ein „öffentliches Erinnerungsmedium“ (Schmoll 2005, 1), das als Orientierungshilfe für die Gegenwart und Wegweiser für die Zukunft dienen kann (vgl. Schmoll 2005, 4).


Was bewog eine westdeutsche Stadt in dieser Zeit zur Aufstellung eines Denkmals für Immanuel Kant?
Die von dem Bildhauer Knud Knudsen aus Bad Nauheim entworfene, zehn Meter hohe und 35 Tonnen schwere Großplastik (vgl. Magistrat 1988, 16) befindet sich bis heute auf dem Freigelände vor der Aula der Immanuel-Kant-Schule (vgl. Otto 1981, 420). Eröffnet wurde diese Einrichtung bereits 1896, nach Kant benannt aber erst mit ihrem Umzug in das Neubaugebiet „Dicker Busch“ 60 Jahre später (vgl. IKS 2018). Die Einweihung der Plastik erfolgte 1969 (vgl. Magistrat 1988, 16). Kant gilt als einer der wichtigsten Denker der Neuzeit. Zentrales Element seiner Philosophie ist der Appell an die eigene Vernunft und die Moral. Sein Ansatz kann als überparteilich und universell verstanden werden. In einer 1988 vom Magistrat der Stadt Rüsselsheim und der Kant Gesellschaft e.V. Bonn publizierten Broschüre zum Denkmal beschreibt der damalige Bürgermeister und Kulturdezernent von Rüsselsheim, Gerhard Löffert, Kants Ideen als hochaktuell. Seine Schriften ließen sich „im Zeitalter der Gefahr atomarer Auslöschung der gesamten Menschheit geradezu wie eine Handlungsanleitung“ lesen (Magistrat 1988, 3).


Löfferts Stellungnahme spiegelt die großen Ängste der Bürger und Bürgerinnen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wider, von denen sehr viele noch direkte Zeugen des Zweiten Weltkriegs waren und Frieden nicht als Selbstverständlichkeit verstanden. Der Rückgriff auf Kants Philosophie kann als Appell an die Vernunft und als Suche nach einem Lösungsweg aus den Antagonismen der Zeit erachtet werden:
„Würde die Menschheit Kants Maximen folgen, so wäre ihr Überleben in äußerem und innerem Frieden gesichert.
Aber haben Philosophen schon jemals die Politik bestimmt? Geben wir die Hoffnung danach nicht auf!“ (ebd.).

Für die Verantwortlichen besaß das Denkmal einen pädagogischen und moralischen Wert. Es sollte jeden Einzelnen zum Nachdenken und rechten Handeln auffordern. Der Künstler hoffte, mit seinem Werk „auch einfachen Bevölkerungsschichten, nicht vorgebildeten Jugendlichen“ (Knudsen) die Ideen Kants vermitteln zu können. Das Bemühen, Kants Ideen aus dem 18. Jahrhundert zweihundert Jahre später als hochaktuell darzustellen, entsprach dem Anspruch der Stadt, ebenfalls ganz modern zu sein. Das Monument sei ein „Symbol für das Aufstreben und die Aufgeschlossenheit unserer Stadt“, heißt es in einer Pressemitteilung von 1968 (Magistrat – Presseamt 1968). Die Modernität sollte auch durch den künstlerischen Ausdruck und die verwendeten Materialien beim Bau des Denkmals unterstrichen werden. Es besteht aus fünf Betonpfeilern, in deren Mitte sich eine Bodenplatte mit der Inschrift:
„Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir“ befindet. Für den Bildhauer Knudsen sollte die Plastik sowohl die „Transzendenz der Schöpfung – nach Kant […] der bestirnte Himmel über mir“ – als auch „das Gebot der Verantwortung jedes Menschen […]‚ das moralische Gesetz in mir“, betonen. Neben der Bodenplatte symbolisieren vier Himmelsrichtungszeiger die „weltweit ausstrahlende Philosophie Kants“ (Magistrat 1988, 18). Sie sollen ein „optisches Spannungsverhältnis zum Pentagon, zu den fünf Pfeilermonumenten“ (Knudsen) schaffen. Jeder Pfeiler trägt einen Leitspruch aus den Hauptwerken Kants auf Aluminiumtafeln. Das Material dafür wurde der damaligen Zeit und der „Autostadt gemäß“ (ders.) ausgewählt. Die Inschriften sollten kurz, prägnant und leicht zu fassen sein, Kants Philosophie eher anhand „formaler, abstrakter Symbolisierung“ statt mittels eines Bildnisses verständlich gemacht werden.
Die Idee war eine „Stätte der Besinnung“ (ders.) auf die Grundgedanken Kants zu schaffen. Die Begehbarkeit der Raumplastik beabsichtigte, „den Betrachter ins Zentrum hineinzuziehen und ihn etwas wesentliches von Kants Philosophie empfinden zu lassen“ (ders.).

Offenbar sah jedoch später die tatsächliche, alltagspraktische Nutzung etwas anders aus, wurden doch die ursprünglich zu Sitzbänken ausgegossenen Spitzen der Windrose 1985 eingeebnet, „da Jugendliche hier weniger über Kants Philosophie als über Profaneres meditierten“ (Magistrat 1988, 18). Dieser Umstand zeigt, dass es bei der Wahrnehmung und Nutzung eines Denkmals durchaus zu Unterschieden zwischen der ursprünglichen Intention und dem späteren Umgang kommen kann. Bemerkenswert bleibt auch der Umstand, dass die erläuternde Broschüre zum Denkmal erst 19 Jahre nach seiner Einweihung erschien. Offensichtlich war es der Versuch, die Idee des Denkmals vor dem Hintergrund einer veränderten Zeit neu zu erklären.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stadt Rüsselsheim mit der Errichtung des Denkmals „ein neues Zeichen aktueller Verbundenheit“ mit Kant setzen und damit auf die Bedeutung seiner Philosophie im industriellen Zeitalter aufmerksam machen wollte. Während im benachbarten Frankfurt die revolutionären Ideen marxistischer Prägung von einer aufmüpfigen Generation junger Studierender spektakulär in Szene gesetzt wurden, entschied man sich von offizieller Seite aus in Rüsselsheim für Kant, sozusagen als Ausweg aus den ideologischen Verstrickungen der damaligen Zeit. Dabei legte man Wert darauf, kein Denkmal im traditionellen Sinne für den Philosophen zu schaffen, vor dem sich der Betrachter bzw. die Betrachterin verbeugen sollte. Statt dessen wurde eine begehbare Anlage geschaffen, die zur Auseinandersetzung mit Kants Ideen und seinem Werk einladen wollte. Dieser partizipatorische Charakter steht für ein modernes Bürgerbild, konstitutiv für eine Gesellschaft aus mündigen Bürgern und keinen Untertanen.

Literatur

Hickethier, Knut (2003). Protestkultur und alternative Lebensformen.
In: Faulstich, Werner (Hg.). Die Kultur der sechziger Jahre (11–30). München.
Otto, Rudolf (1981). Baukräne über Rüsselsheim: 25 Jahre Stadtentwicklung (1950–75).
Rüsselsheim. Schmoll, Friedemann (2005). Denkmal. Skizzen zur Entwicklungsgeschichte eines öffentlichen Erinnerungsmediums.
Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde, 47, 1–16.

 

Quellen

Text und Foto: Lisa Maria Rölle

IKS (Immanuel-Kant-Schule Rüsselsheim) (2018)
Chronik: http://www.iks- ruesselsheim.de/profil/chronik. [03.09.2018].
Knudsen, Knud. „Gedanken zum Kant-Denkmal in Rüsselsheim“.
In: Sammlung Stadtarchiv Rüsselsheim, Denkmäler. Magistrat der Stadt Rüsselsheim – Presseamt (1968).
Rüsselsheim – heute und morgen. Frankfurt am Main.
Magistrat der Stadt Rüsselsheim & Kant Gesellschaft e.V. (1988).
Das Rüsselsheimer Kant-Denkmal. Rüsselsheim.

 

 

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