OPEL ALTWERK

Das Opel-Portal – Ein Tor zur Geschichte und zu meinen eigenen Wurzeln

Jahrelang bin ich fast täglich durch dieses monumentale Portal des Altwerks gefahren, um zu meinem Atelier im Gebäudeteil C13 zu gelangen. Dieses Tor, das einst die Werkstore für tausende Arbeiter öffnete, war für mich mehr als nur ein Durchgang – es war eine Verbindung zur Vergangenheit, zur industriellen Geschichte der Stadt und zu meiner eigenen Familiengeschichte.

Denn genau hier, in einer der Werkhallen direkt vor meiner Tür, begann mein Großvater in den 1970er-Jahren bei Opel zu arbeiten. Zwei Stockwerke darüber, in der Lehrwerkstatt, absolvierte ich als Schuljunge mein erstes Schulpraktikum. Es war ein seltsames Gefühl, durch die gleichen Flure zu laufen, an denen einst mein Großvater und später mein Vater täglich vorbeigingen.

Und als ich schließlich 2020 mein Atelier in C13 bezog, fühlte es sich an wie eine Rückkehr zu meinen Wurzeln – nur diesmal als Künstler.

Zwischen Kunst und Maschinen – Meine Zeit in C13

Mein Atelier in C13 war nicht einfach nur ein Raum – es war ein kreativer Zufluchtsort inmitten eines historischen Industriegeländes. Und die Nachbarschaft? Sie hätte nicht besser sein können. Da war Mario Hergueta, dessen Atelier im selben Areal lag, ein Künstler, der das Handwerk versteht und dessen Werke weit über Rüsselsheim hinaus bekannt sind. Sabine Dittrich vom Stimmenwerk, die mit ihrer Stimme Räume füllt. Das Rind, das seit Jahrzehnten die Kulturlandschaft der Stadt prägt. Und natürlich das Rollwerk, das die alte Industriehalle in eine pulsierende Skatekultur transformiert hat.

Mit der Motorworld hatte ich außerdem einen unglaublich verständnisvollen Vermieter gefunden, der die Geschichte des Altwerks zu schätzen weiß. Die Atmosphäre war einmalig – eine Mischung aus Nostalgie, industriellem Erbe und kreativer Energie.

Und genau diese Energie floss in zwei ganz besondere Ausstellungen ein, die ich hier realisieren durfte:

Motorcity – Eine Fotoausstellung über Rüsselsheimer:innen und ihre Oldtimer. Eine Stadt, die auf vier Rädern erbaut wurde, birgt unzählige Geschichten in ihren Garagen. Ich wollte genau diese Geschichten erzählen, die Leidenschaft, die Erinnerungen, die in jedem dieser Autos stecken.

Mis Ndchar Inu – Meine Hommage an meine Wurzeln. Eine Ausstellung, die sich mit Kolonialismus, Migration und Identität auseinandersetzte. Das absolute Highlight war der Auftritt der Band Agraf, die extra aus der Heimatstadt meiner Eltern in Marokko angereist war. Es war ein Moment, der alles vereinte: Vergangenheit, Gegenwart, Musik, Kunst und Herkunft.

Es waren Jahre, die mich geprägt haben – die mich aber auch immer wieder an die Veränderlichkeit von Orten erinnerten.

Ein Startup aus dem Kuhstall – Der Beginn von Opel

1862 gründete Adam Opel in der Werkstatt seines Vaters ein kleines Unternehmen. Damals waren es nicht Autos, sondern Nähmaschinen, die ihn faszinierten. Nur ein Jahr später richtete er seine erste Nähmaschinenproduktion in einem ehemaligen Kuhstall ein.

Es waren seine Söhne, die Opel schließlich in Richtung Fahrradproduktion führten, was dem Unternehmen großen Erfolg brachte. Doch der entscheidende Schritt in den Automobilbau geschah erst nach dem Tod von Adam Opel. Seine Frau Sophie Opel setzte 1899 den ersten Meilenstein mit der Produktion des Opel Patentmotorwagens „System Lutzmann“.

Vom Großbrand zur Industrie-Ikone – Das Altwerk

Vom Großbrand zur Industrie-Ikone – Das Altwerk als Symbol der Erneuerung

1911 – ein Jahr, das für Opel zur Feuerprobe wurde. Ein Großbrand wütete durch die Hallen und zerstörte weite Teile des Werks. Flammen fraßen sich durch die Holzstrukturen, Maschinen schmolzen in der Hitze, und die Arbeiter standen fassungslos vor den rauchenden Ruinen einer der größten Produktionsstätten ihrer Zeit.

Doch Aufgeben war keine Option. Statt einfach nur den Schaden zu beheben, entschied man sich für einen Neuanfang mit Weitblick. Die abgebrannten Hallen wurden durch ein architektonisches Meisterwerk ersetzt: das Altwerk im Jugendstil. Ein Ausdruck von Fortschritt und Optimismus – geschwungene Linien, filigrane Ornamente, große Fenster, die Licht in die Werkshallen ließen. Nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch anspruchsvoll. Es war ein Bekenntnis zur Zukunft und ein Signal an die Welt: Opel war gekommen, um zu bleiben.

Doch das Altwerk sollte noch einmal auf die Probe gestellt werden. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es zu einem strategischen Ziel der alliierten Bombenangriffe. Die Fabrik war nicht nur das wirtschaftliche Herz Rüsselsheims, sondern auch in die Kriegsproduktion eingebunden. Was einst Motoren für Automobile produzierte, fertigte nun militärische Komponenten – ein Schicksal, das viele Industriekomplexe dieser Zeit teilten.

Die Angriffe hinterließen Spuren: Hallen wurden zerstört, Dächer stürzten ein, Fassaden von Splittern zerrissen.Doch wie schon 1911 stand Opel nach dem Krieg wieder auf. Der Wiederaufbau war nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch eine symbolische Kraftanstrengung – für das Werk, für die Arbeiter und für die Stadt. Das Altwerk wurde erneut zum Puls der Stadt, zum Ort der Arbeit, der Innovation und der Hoffnung.

Heute, Jahrzehnte später, sind die Spuren dieser Geschichte noch sichtbar. Die Jugendstilfassaden, die von der Katastrophe von 1911 erzählen, die Industriehallen, die Bombennächte überstanden haben – sie sind stille Zeugen einer Stadt, die sich immer wieder neu erfunden hat. Und genau deshalb ist das Altwerk mehr als nur eine ehemalige Produktionsstätte. Es ist ein Denkmal der Resilienz – ein Ort, an dem Geschichte nicht nur erinnert, sondern gelebt wird.Für mich war das Altwerk immer mehr als nur ein Denkmal. Es war ein Ort der Erinnerung, ein Ort der Transformation. Vom Arbeitsplatz meines Großvaters über meinen ersten Job bis hin zu meinem eigenen Atelier – es hat sich mit mir verändert.

Opel – Eine Stadt ohne ihr Herzstück?

Für meine Familie war Opel nicht nur ein Arbeitgeber – es war ein Lebensgefühl, eine Perspektive, eine Zukunft. Mein Großvater kam 1970 als Gastarbeiter ins Werk, mein Vater begann vier Jahre später seine Lehre in der Opel-Sattlerei. So wie meine Familie war Opel für tausende von Menschen das Zentrum ihres Lebens, das Herz der Stadt.

Heute steht das Altwerk als denkmalgeschütztes Industriedenkmal – ein Relikt einer Zeit, in der hier noch tausende Arbeiter täglich durch das Tor strömten. Doch die Frage bleibt: Was ist Rüsselsheim ohne Opel?

Für viele ist die Antwort klar: Undenkbar.

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