
Ein Haus für die Kultur – Architektur und Geschichte
Nach fast vierjähriger Bauzeit eröffnete am 6. September 1969 das Stadttheater Rüsselsheim seine Türen – ein modernes, lichtdurchflutetes Gebäude, das seitdem die Kulturlandschaft der Stadt prägt. Entworfen wurde das Theater von Dietrich Hirsch, einem Architekten, der als Assistent von Hans Scharoun tätig war. Scharoun war einer der führenden Vertreter des organischen Bauens, bekannt für die Berliner Philharmonie, und diese Einflüsse spiegeln sich auch in Hirschs Entwurf wider. Das Theater folgt keiner starren Geometrie, sondern ist als fließender Raum gedacht – ein Ort, der Begegnung ermöglicht und Kultur erlebbar macht.
1984 wurde das Treff-Ensemble rund um das Theater errichtet. Neben der Bühne und dem Foyer entstanden städtische Gebäude wie die Volkshochschule, die Stadtbücherei und das Kulturamt. Doch nicht nur öffentliche Institutionen sind hier zu finden – das Ensemble ist lebendig durch private Nutzer, kleine Unternehmen und kreative Köpfe, die hier ihren Platz gefunden haben.
Ein persönlicher Ort der Kunst
Für mich ist das Stadttheater weit mehr als eine Bühne für Aufführungen oder ein architektonisches Wahrzeichen. Es ist ein Ort der Begegnung, der Kunst – und meiner eigenen Geschichte.
2023 war ein besonderes Jahr für mich, denn ich durfte gleich zweimal in der Galerie im Theater ausstellen. Die erste Ausstellung war eine Gruppenausstellung mit einem ernsten und wichtigen Thema: Gewalt gegen Frauen. Kunst als Stimme, als Ausdruck von Schmerz, Widerstand und Hoffnung – inmitten der Theateratmosphäre wurde diese Botschaft besonders greifbar.













Wenig später folgte meine Einzelausstellung „Flucht der Verdammten“ – ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt. Hier konnte ich meine eigene Perspektive auf Kolonialismus, Krieg und Migration in einer intensiven, persönlichen Bildsprache zeigen. Doch das Besondere für mich war nicht nur der Inhalt, sondern die Art, wie ich ihn vermitteln konnte: Die Finissage habe ich in meiner Muttersprache Masirisch gehalten.





Es war ein Moment, in dem meine Sprache, die Geschichte meines Volkes und meine Kunst eine Symbiose eingingen – an einem Ort, der für Begegnung geschaffen wurde. Die Resonanz darauf war so groß, dass sich daraus eine Folgeausstellung für 2024 ergab. Ein Höhepunkt dieser neuen Ausstellung: Ich durfte eine Band aus der Heimatstadt meiner Eltern einladen, die den kulturellen Rahmen mit Musik vervollständigte.
Ein lebendiger Ort der Kultur
Das Stadttheater Rüsselsheim ist für mich kein statischer Bau, sondern ein Raum, der mit Erinnerungen gefüllt ist. Architektur wird erst lebendig durch die Menschen, die sie mit Geschichten füllen. Sei es durch eine Inszenierung auf der großen Bühne, durch Gespräche im Foyer oder durch Kunst in der Galerie – dieses Theater bleibt ein besonderer Ort für die Stadt und für mich.
Vielleicht ist es genau das, was Dietrich Hirsch mit seinem Entwurf erreichen wollte: Einen Raum schaffen, in dem sich Menschen begegnen, in dem Kunst und Leben miteinander verschmelzen. Und genau das passiert hier, jeden Tag aufs Neue.