LEINREITER

Der Leinreiter – Ein Wahrzeichen Rüsselsheims

Ein imposantes Pferd mit einem Reiter auf dem Rücken: Fast in „Atlas-Manier“ scheint das Pferd nicht nur Schiffe stromaufwärts zu ziehen, sondern auch das Leid aller Menschen. Stoisch blickt der Reiter in Richtung des Mains. Kaum eine andere Skulptur in Rüsselsheim hat sich so schnell ins kollektive Stadtgedächtnis eingebrannt wie der Leinreiter. Er ist nicht nur eine Hommage an die einstigen Treidler, sondern hat sich mittlerweile zu einem **ikonischen Wahrzeichen der Stadt** entwickelt.

Die **3,15 Meter hohe Bronzeskulptur** des Darmstädter Künstlers **Detlef Kraft** wurde 1994 am Landungsplatz aufgestellt und erinnert an die **Leinreiter**, die über Jahrhunderte hinweg Schiffe und Kähne zwischen **Mainz und Frankfurt** stromaufwärts zogen. Der Treidelpfad entlang des Mains war eine essenzielle Verkehrsader, auf der bis zu sechs Pferde ein Schiff mit einer Geschwindigkeit von etwa **3 km/h** zogen. Die **Pappeln am Mainufer** sind noch heute stille Zeugen dieses alten Handelswegs.

Vom Gasthof Holz bis zum Hotel Höll am Main

Die **Anspannstation** für die Pferde befand sich am **Gasthof Holz an der Mainpforte**, den man heute als das **Hotel Höll am Main** kennt. Rüsselsheim verdankt seine Entwicklung nicht zuletzt dieser Hafenfunktion – ein zentraler Punkt für Waren- und Personenverkehr, lange bevor Opel die Stadt prägte. Die Figur des Leinreiters würdigt damit nicht nur eine fast vergessene Berufstradition, sondern steht symbolisch für die **historische Bedeutung Rüsselsheims als Handels- und Verkehrsknotenpunkt**.

Mehr als nur ein Denkmal – Ein Symbol der Stadt

Auch wenn der Leinreiter erst seit 1994 den **Landungsplatz** schmückt, fühlt es sich an, als wäre er schon immer dort gewesen. Er gehört mittlerweile **so sehr zu Rüsselsheim wie das Adam-Opel-Denkmal** und ist längst über die Stadtgrenzen hinaus bekannt: Seine Silhouette prangt auf **T-Shirts**, auf **Kunstwerken** und sogar als Logo auf den Flaschen des **Rüsselsheimer Bräus**.

Das verbindende Element des Kunstpfads

Der Leinreiter ist nicht nur eine historische Reminiszenz, sondern auch **das verbindende Element des Rüsselsheimer Kunstpfads**, der 2017 mit der Skulptur **„Heimat“ von Mario Hergueta** startete. Damit schlägt er eine Brücke zwischen **Vergangenheit und Gegenwart**, zwischen **traditioneller Bildhauerkunst und modernen Kunstinstallationen** entlang des Mainufers.

„Die Gründung der Stadt Rüsselsheim ist unter anderem auch auf ihre **Hafenfunktion** zurückzuführen. Der Leinreiter ist ein Denkmal für eine Zeit, in der die Stadt noch vom Fluss und nicht von der Automobilindustrie geprägt war.“

In einer Stadt, die immer wieder mit dem Wandel kämpft, erinnert uns der Leinreiter daran, woher wir kommen – und wie wichtig es ist, unsere **Geschichte zu bewahren und weiterzuerzählen**.

Das Leinreiterdenkmal – Ein Symbol für Rüsselsheims Vergangenheit

Nachdenklich, erschöpft, fast schon andächtig stehen sie da – der Leinreiter und sein Pferd. Sie wirken wie eine Einheit am Mainufer auf dem Landungsplatz, als Symbol für eine traditionsreiche Tätigkeit, für ein Handwerk, das in der Industriestadt Rüsselsheim am Main lange Zeit eher in Vergessenheit geraten war. Das Leinreiterdenkmal gehört zeitgeschichtlich zu den jüngeren Denkmälern der Stadt, gilt heute aber dennoch als eines ihrer zentralen „Wahrzeichen“.

Die Entstehung des Denkmals

1991 wurde die Aufstellung des Denkmals von der Stadt Rüsselsheim initiiert, um an die Handelstradition der Treidelschifffahrt und Leinreiterei zu erinnern, die vor der Industrialisierung als wichtiger Standort zwischen den Handelsstädten Mainz und Frankfurt eine große Rolle spielte (vgl. Main-Spitze, 10.08.1991).

Durch das sogenannte **„Treideln“** wurden einst Handels- und Passagierschiffe, die sich nicht aus eigener Kraft fortbewegen konnten, stromaufwärts geschleppt. Dafür wurden sie vom Land aus über eine Leine entlang eines parallel zum Fluss verlaufenden „Treidelpfades“ gezogen. Diese Arbeit verrichteten in der Regel Menschen und Pferde, geführt von den sogenannten „Leinreitern“. Aufgrund der starken industriellen Prägung insbesondere durch die Firma Opel war die Bedeutung Rüsselsheims als Schifffahrtsstandort aus dem kulturellen Gedächtnis der Stadt weitgehend verschwunden.

Ein Denkmal für die Hafentradition Rüsselsheims

Das Leinreiterdenkmal wurde geschaffen, um die Erinnerung an diese alte Tradition wachzuhalten. Die Idee und das finale Modell stammen von dem in Darmstadt ansässigen Künstler und Bildhauer **Detlef Kraft** (geb. 1950 in Berlin). Sein Entwurf setzte sich in einem Wettbewerb unter sieben Modellen durch, da er „der Historie am ehesten nachempfunden sei, ohne zugleich in nackten Naturalismus abzugleiten“ (Rüsselsheimer Echo, 10.08.1991), so der damalige Oberbürgermeister **Gerhard Löffert**.

Nach einem dreijährigen Fertigungsprozess wurde das Denkmal schließlich am **9. Juni 1994** aufgestellt. Es handelt sich um eine **Plastik aus anthrazitfarbenem Bronzematerial**, etwa **3,15 Meter hoch und drei Meter lang**. Sie wurde in einem Stück gegossen und auf einem niedrigen Sockel aus rotem Sandstein montiert.

Die Skulptur: Ausdruck von Erschöpfung und Würde

Die Plastik zeigt einen überlebensgroßen, männlichen Reiter auf einem kräftigen Pferd. Der Mann sitzt allerdings nicht mit dem Rücken nach hinten, sondern nach vorne – in einer Haltung, die an einen Damensitz erinnert. Seine Körperhaltung ist zusammengesunken, die eine Hand ruht auf seinem Oberschenkel, die andere auf dem Pferderücken. Sein Blick ist schräg nach hinten in Richtung Main gerichtet, wo er sich in der Ferne zu verlieren scheint.

Auch das Pferd wurde überlebensgroß dargestellt. Es wirkt sehr robust, mit kräftigen Beinen und großem Rumpf. Sein Kopf ist gesenkt, der Hals gekrümmt – eine Haltung, die sowohl **Müdigkeit als auch Demut** ausdrückt. Die glatt-glänzende Oberfläche und die weichen, rundlichen Formen der Plastik laden regelrecht dazu ein, das Pferd über die Flanken oder den Kopf zu streichen.

Ein Denkmal zum Anfassen

Bereits bei der Planung wurde bewusst darauf geachtet, das Denkmal kinderfreundlich und alltagsnah zu gestalten. Es sollte nicht nur eine statische Gedenkstätte sein, sondern ein **interaktives Kunstwerk**, das man berühren und erkunden kann. An seinem Standort auf dem Landungsplatz an der Mainpromenade kann der Reiter „mitten im Geschehen“ erlebt werden – man kann ihn umgehen, anfassen, auf ihm spielen.

„Diese Platzierung verdeutlicht die Tendenz der postmodernen Denkmalkultur: weg von Ehrfurcht gebietenden Anschauungsobjekten hin zu Denkmälern der Alltagsnähe, des Anfassens und Begreifens.“ – Lipp (2008)

Standortwechsel und Diskussionen

Obwohl das Denkmal ursprünglich direkt am vermuteten Treidelpfad am Ufer aufgestellt wurde, kritisierten einige Historiker und Denkmalschützer diese Platzierung. Unter anderem argumentierte der Ginsheimer Lehrer **Armin Helm** (1947–2001), dass Leinpfade aufgrund der Gefahr für Pferd und Reiter üblicherweise nicht direkt am Flussufer verliefen (vgl. Rüsselsheimer Echo, 18.08.1994).

2016 wurde das Denkmal schließlich um etwa **drei Meter versetzt**, um Platz für einen neuen Fahrradweg zu schaffen. Trotz der Diskussionen über die Authentizität des Standorts bleibt das Leinreiterdenkmal ein wichtiges Symbol für die Stadtgeschichte.

Der Leinreiter als ikonisches Wahrzeichen

Heute gehört der Leinreiter fest zum Stadtbild von Rüsselsheim. Seine markante Silhouette findet sich auf **T-Shirts**, in **Logos** und sogar auf den Flaschen des **Rüsselsheimer Bräus**. Der Leinreiter ist ein **wichtiges Element des Kunstpfads**, der Kunst im öffentlichen Raum mit Geschichte und urbanem Leben verbindet.

Quellen

Lipp, Wilfried (2008). Kultur des Bewahrens. Schrägansichten zur Denkmalpflege. Wien, Köln, Weimar.
Seidenspinner, Wolfgang (2006). Authentizität. Kulturanthropologisch-erinnerungskundliche Annäherungen. Volkskunde in Rheinland-Pfalz, 20, 5–39.
Main-Spitze, 10.08.1991, 24.03.1993, 24.06.1994.
Rüsselsheimer Echo, 10.08.1991, 19.01.1993, 13.06.1994, 18.08.1994.
Rüsselsheimer Echo Online (2016). „Die kurze Reise des Leinreiters“.
https://www.fnp.de/lokales/kreis-gross-gerau/ruesselsheim-ort29367/kurze-reise-leinreiters-10512660.html [06.01.2019].

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