
Wilhelm Sturmfels – Ein Lehrer, Heimatforscher und umstrittene Persönlichkeit
Ein Denkmal für Wilhelm Sturmfels
Im Juli 1947 wurde auf dem Senckendorffplatz in Rüsselsheim ein Gedenkstein für den Lehrer und Heimatforscher Wilhelm Sturmfelserrichtet. Sturmfels spielte eine bedeutende Rolle bei der Erforschung der lokalen Geschichte und war bis zu seinem Tod der erste Vorsitzende des 1905 gegründeten Rüsselsheimer Heimatvereins.
Die Errichtung des Gedenksteins kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verdeutlicht, welchen Stellenwert er für die Stadt hatte. Doch was bleibt von seinem Erbe? Während viele ihn als wichtigen Chronisten der Stadtgeschichte betrachten, gibt es auch kritische Stimmen, die sich mit seinem historischen Wirken auseinandersetzen.
Die Gründung des Heimatvereins
Der Rüsselsheimer Heimatverein, gegründet 1905, hatte das Ziel, die lokale Geschichte zu dokumentieren und für zukünftige Generationen zu bewahren. Neben Sturmfels gehörten Lehrer, Kaufleute, Geistliche und Handwerker zu den Gründungsmitgliedern:
• Wilhelm Sturmfels, Lehrer
• Lic. Emil Fuchs, Pfarrer
• Georg Wehr, Lehrer
• Georg Treber XI., Lehrer (später Bürgermeister)
• Benedikt Volk, Weißbindermeister
• Heinrich Hummel VIII., Zimmermeister
• Georg Heinrichs, Postsekretär
• Georg Delp, Hauptlehrer
• Friedrich Treber IV.
• Dr. Wiebel, Arzt
• Jakob Sittmann, Bürgermeister
• Paul Hungsberg, Kaufmann
Mit dieser breit aufgestellten Gruppe wollte man das historische Bewusstsein der Stadt fördern und die Entwicklung Rüsselsheims dokumentieren.
Wer war Wilhelm Sturmfels?
Sturmfels war nicht nur Lehrer, sondern auch Chronist seiner Zeit. Er setzte sich intensiv mit der Geschichte Rüsselsheims auseinander und trug dazu bei, wertvolle historische Dokumente zu erhalten und zu erforschen.
Sein Wirken als Heimatforscher brachte ihn in die Kreise der damaligen lokalen Geschichtsschreibung – ein Bereich, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark von nationalen Narrativen geprägt war. Heimatvereine dieser Zeit dienten oft nicht nur der Dokumentation, sondern auch der Konstruktion von Identität. Dabei floss in vielen Fällen ein starkes Heimatbewusstsein in die Forschungen ein, das sich nicht immer nur auf die sachliche Aufarbeitung der Geschichte beschränkte.
Während es wenig belegte Hinweise auf eine politische Haltung von Wilhelm Sturmfels gibt, wirft seine Zeit als Lehrer und Forscherdennoch einige Fragen auf:
• Wie beeinflusste seine Weltanschauung seine historische Arbeit?
• Inwieweit könnte seine Forschung von damaligen gesellschaftlichen und politischen Strömungen geprägt gewesen sein?
• Welche Narrative trug er mit seinen Werken zur Erinnerungskultur in Rüsselsheim bei?
Da sich kaum kritische Auseinandersetzungen mit ihm finden lassen, bleibt vieles Spekulation. Dennoch sollte man historische Figuren nicht unkritisch glorifizieren, sondern sie im Kontext ihrer Zeit betrachten.
Der Gedenkstein und die heutige Perspektive
Das Denkmal auf dem Senckendorffplatz erinnert bis heute an Wilhelm Sturmfels. Doch ist es noch zeitgemäß, solche Gedenksteine unkommentiert stehen zu lassen? In einer Zeit, in der historische Erinnerung reflektiert und kritisch betrachtet wird, könnte es sinnvoll sein, ergänzende Informationen zur Einordnung seiner Rolle hinzuzufügen.
Die Frage nach Erinnerungskultur ist immer aktuell. Während Sturmfels einen wichtigen Beitrag zur Stadtgeschichte geleistet hat, wäre es spannend, ihn in einem breiteren historischen Zusammenhang zu sehen. War er nur ein Chronist oder auch ein aktiver Gestalterder Erzählungen über Rüsselsheim?
Gerade in einer Stadt wie Rüsselsheim, die von Migration, industrieller Entwicklung und einem vielfältigen gesellschaftlichen Wandel geprägt ist, sollte Geschichtsbewusstsein mehr als nur nostalgische Rückschau sein. Erinnerung ist lebendig – und sie muss Platz für kritische Auseinandersetzung bieten.