
Das Rind – Offspace, Klangraum, Jugendkulturerbe
Es gibt Orte, die wachsen mit dir, auch wenn du es erst Jahre später merkst. Das Rind ist so ein Ort.
Gegründet 1992 von Dirk Eisenhauer, Stephan Limbach und Frank Walther, entstand das Rind als Gegenentwurf zum etablierten Kulturcafé. Man wollte einen anderen Weg gehen, ein offeneres, unabhängigeres Kulturzentrum schaffen – einen Ort für Subkultur, alternative Musik und Kunst. Der Name “Das Rind” wurde basisdemokratisch entschieden, bewusst provokant und losgelöst von den bisherigen Strukturen. Es sollte laut, eigenständig und kompromisslos sein – genau wie die Szene, die hier ein Zuhause fand.
Als ich 1995 zum ersten Mal dort war, war das Rind noch jung – und wir auch. Die ersten Partys, auf die wir gehen durften, die ersten Nächte, in denen Hip-Hop-Beats die Luft vibrieren ließen. Wir haben uns tagelang auf diese Abende gefreut, sind nach den letzten Tracks müde, aber glücklich nach Hause gelaufen – den Hausschlüssel vorsichtig ins Schloss gedreht, damit niemand aufwacht, und beim Frühstück so getan, als wären wir die ganze Nacht brav zu Hause gewesen.
Ohne das Rind hätte ich nie die Jungs vom „Club d’Art Percevant“ kennengelernt, die später die ersten Residenten des freiraum f3 wurden. Eine kreative Energie, die sich weiterträgt – bis heute. Yannick Pfeiffer, einer von ihnen, eröffnet gerade „Die Taube“ – ein neuer Offspace für Rüsselsheim, ein weiteres Kapitel in der Stadtgeschichte der freien Kunst.
Wer hätte gedacht, dass sich unsere Wege 30 Jahre später wieder kreuzen würden? Vier Jahre lang waren wir Nachbarn im Altwerk, dort, wo das Rind früher sein Außenlager hatte. Die Begegnungen mit dem Team? Immer freundschaftlich. Florian Haupt hatte stets ein offenes Ohr – auch wenn er eigentlich nie Zeit hatte. Egal, wie groß der Stress war, ob Konzertplanung, Technikprobleme oder eine volle To-Do-Liste, er war da, wenn man ihn brauchte. So viel Verlässlichkeit ist selten.
Das Rind ist längst mehr als ein Club. Es ist ein kultureller Fixpunkt, ein Ort, der Szene und Stadt verbindet, der sich verändert hat und doch sich selbst treu geblieben ist. Ein Offspace im besten Sinne – eine Bühne, ein Freiraum, eine Erinnerung an unvergessene Nächte und eine Verbindung, die bleibt.