BERLINER BÄR

Der Bär am Berliner Platz – Ein Denkmal, ein Viertel, eine Geschichte

Ein stiller Zeuge der Geschichte

Fast demütig blickt er uns entgegen – der Bär am Berliner Platz. Ein Symbol, das nicht nur an Berlin erinnert, sondern auch an eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte. Seit 1962 steht die Skulptur aus Basaltlava hier, als Mahnmal für den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 in Ost-Berlin.

Der Bär wurde von Johannes Peschko entworfen und von dem Darmstädter Künstler Ludwig Wälke aus Stein gemeißelt. Er steht genau dort, wo es am sinnigsten ist – auf dem Berliner Platz, an der Berliner Straße. Ein Ort der Erinnerung, an dem Geschichte im Stadtbild weiterlebt.

Das Berliner Viertel – Mein persönlicher Hotspot

Doch für mich ist das Berliner Viertel mehr als nur der Platz, auf dem der Bär steht. Es ist ein Ort, der sich über die Jahre immer wieder mit meiner eigenen Geschichte verflochten hat.

In meiner Jugend war das **Jugendhaus im Berliner Viertel** der Place-to-be. Ein guter Freund veranstaltete dort **legendäre Partys**, die mehr waren als nur Abende mit Musik. Es war unser **Hotspot, unser Szenetreff**, ein bisschen wie die Highschool-Partys aus amerikanischen Teenie-Filmen – nur eben echt. Mehrere Etagen, überall Leute, **getanzt, getrunken, geknutscht**. So war das mit 17.

Kreativkartell und die Kunst des Neubeginns

15 Jahre später brachte mich eine andere Freundschaft zurück ins **Berliner Viertel**. Diesmal ging es nicht um Partys, sondern um **Kunst, Fotografie, Kreativität**. Gemeinsam mit einem Fotografenfreund beschlossen wir, das **Kreativkartell** zu gründen. Die Zusammenarbeit hielt nur **zwei Jahre**, aber es war der Startpunkt für meine eigene Reise als **Kreativnomade**. Manchmal sind kurze Wege die wichtigsten.

Der Opel Kapitän und das Berliner Viertel heute

Und dann, **20 Jahre nach der letzten Party im Jugendhaus**, führte mich eben dieser Freund wieder dorthin zurück. Diesmal nicht zum Feiern, sondern für etwas, das ich damals nicht geahnt hätte: **Ich sollte die Werbestrategie für “Das Burger Haus” gestalten**. Und als eine kleine Hommage an die Stadt, die mich geprägt hat, gibt es seitdem den **Opel Kapitän auf der Karte** – eine Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, von Stadtgeschichte und persönlichen Erinnerungen.

Manche Orte sind nicht einfach nur Orte. Sie sind Kapitel in unserer eigenen Geschichte, die sich über Jahre weiterschreiben.

Der Berliner Bär – Vom Mahnmal zum Maskottchen

Ein Denkmal im Wandel der Zeit

Von der in Stein gemeißelten „Verbundenheit mit Berlin nach außen hin“ (Main-Spitze, 24.10.1962) zum „Maskottchen des Berliner Viertels“ (Main-Spitze, 17.01.2015) – kaum ein Denkmal in Rüsselsheim hat eine so deutliche Veränderung in der öffentlichen Wahrnehmung durchlebt wie der Berliner Bär (vgl. Schmoll 2005, 1).

Die Skulptur wurde **1962 aufgestellt**, nachdem sie zwei Jahre zuvor von der Stadt in Auftrag gegeben wurde (vgl. Denkmalkataster 1992). Am **18. Oktober 1962** wurde der **70 Zentner schwere Bär** aus der Darmstädter „Werkstätte für Denkmalkunst August Weiker“ nach Rüsselsheim transportiert. Sein Standort: **Der Danziger Platz im Berliner Viertel** (vgl. Darmstädter Echo, 18.10.1962; Rüsselsheimer Echo, 18.06.1969). Der Entwurf stammte von Johannes Peschko, die Bearbeitung übernahm Ludwig Wälke – beide renommierte Bildhauer aus Darmstadt.

Die Plastik aus **Basaltlava** misst **2,50 Meter in der Höhe und 1,10 Meter in der Breite** und kostete die Stadt Rüsselsheim damals **11.300 Mark** (vgl. Erfassung 2002; Denkmalkataster 1992).

Ein Denkmal im Kalten Krieg

In den Jahren vor der Aufstellung des Berliner Bären war die Lage in der jungen Bundesrepublik geprägt von Widersprüchen: **Der wirtschaftliche Aufschwung der 1950er-Jahre** stand im Kontrast zur allgegenwärtigen **Angst vor einem Dritten Weltkrieg**. Die Wunden des Zweiten Weltkriegs waren noch längst nicht verheilt, und mit dem **Mauerbau in Berlin im August 1961** wurde die Bedrohung einer weiteren Eskalation realer denn je (vgl. Schildt 2011, 34–41).

Das geteilte Berlin galt als „Frontstadt im Kalten Krieg“ (Flemming 2008, 28).

Westdeutschland setzte auf die Stärkung der Bonner Republik – **„Bonn ist nicht Weimar“** (Allemann 1956, zitiert nach Schildt 2011, 16) –, während die DDR Berlin als ihre Hauptstadt erklärte. Diese politische Entwicklung wurde im Westen als **Provokation und Verrat am Einheitsgedanken** wahrgenommen.

Das **Aufstellen des Berliner Bären in Rüsselsheim** war also weit mehr als eine städtebauliche Entscheidung: Es war eine **Solidaritätsbekundung** mit den Berlinern in **Ost und West** und gleichzeitig ein **Zeichen des Widerstands** gegen die erzwungene Teilung Deutschlands (vgl. Otto 1981, 27).

Ästhetik und öffentliche Kritik

Der **Berliner Bär** wurde aus einem **massiven Block schwarz-grauer Basaltlava** gemeißelt. Zum Zeitpunkt seiner Aufstellung stand er auf einer **schlichten Ziegelsteinsäule**, die wiederum auf einem steinernen Podest ruhte. Seine künstlerische Gestaltung folgte einer **naturalistischen, aber blockhaften Formsprache** (Otto 1988, 56). Während die Umrisse eher schemenhaft gehalten sind, wurde die **Fellstruktur** detailliert herausgearbeitet.

Seine Körperhaltung und der Gesichtsausdruck wirken **traurig und wehmütig** – eine passende Metapher für die politische Lage der frühen 1960er-Jahre.

Während die Skulptur selbst bei der Bevölkerung auf Wohlwollen stieß, wurde ihre Säule schnell zum **Gegenstand öffentlicher Kritik**:

  • Die Ziegelsteinsäule erinnere an ein **„Streichholz“**.
  • Der Bär wirke, als sei er **zum Balancieren gezwungen** – wie ein **Zirkustier**.
  • Weder die Rüsselsheimer noch der Bär selbst seien zufrieden mit seiner Säule (vgl. Main-Spitze, 03.11.1962).

Diese Kritik führte später zur Anfertigung einer **neuen Säule**, die bis heute erhalten ist. Sie trägt frontal eine **schmucklose Tafel mit der Aufschrift „Berlin“** (vgl. Rüsselsheimer Echo, 19.06.1978).

Veränderung der Symbolik

Ursprünglich war der Berliner Bär von einem **freien Platz ohne Barrieren** umgeben, sodass dort **jährlich am 17. Juni Gedenkveranstaltungen zum Volksaufstand in der DDR 1953** stattfinden konnten. Dieser Tag war von 1954 bis 1990 ein **gesetzlicher Feiertag in Westdeutschland**. In Rüsselsheim wurde es zur Tradition, dass Vertreter der Stadt einen **Blumenkranz am Denkmal niederlegten** (vgl. Rüsselsheimer Echo, 18.06.1969, 18.06.1980, 18.06.1984).

Mit der **Wiedervereinigung Deutschlands** verlor das Denkmal seine ursprüngliche politische Bedeutung. Am 3. Oktober 1990, dem ersten offiziellen Tag der Deutschen Einheit, wurde der **Danziger Platz in Berliner Platz umbenannt** (vgl. Hinweisschild am Straßenschild des Berliner Platzes in Rüsselsheim).

Heute steht der Bär in einer **begrünten Anlage**, die ihn visuell **von der Stadt abschirmt**. Während er einst ein **Ort der Erinnerung** war, kann man ihn heute **nur noch aus der Distanz bewundern** (vgl. Denkmalkataster 1992, Rüsselsheimer Echo, 03.07.2003).

Vom Mahnmal zum Maskottchen?

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr verändert sich die Wahrnehmung des Denkmals. Der Berliner Bär hat sich von einem **politischen Mahnmal zu einem städtischen Wahrzeichen** gewandelt.

„Der Bär hat sich vom Mahnmal und Gedenkort zu einem putzigen Aushängeschild des Berliner Viertels entwickelt.“

(Rüsselsheimer Echo, 03.07.2003, 10.04.2010; Main-Spitze, 16.02.2006, 17.01.2015)

Quellen

Text und Foto: Marie Scheffler

Literatur

  • Flemming, Thomas (2008). Die Berliner Mauer. Geschichte eines politischen Bauwerks. Berlin.
  • Otto, Rudolf (1981). Baukräne über Rüsselsheim: 25 Jahre Stadtentwicklung (1950–75). Rüsselsheim.
  • Otto, Rudolf (1988). Kunstdenkmäler und Kunst am Bau in Rüsselsheim. Rüsselsheim.
  • Schildt, Axel (2011). Annäherung an die Westdeutschen. Göttingen.
  • Schmoll, Friedemann (2005). Denkmal. Skizzen zur Entwicklungsgeschichte eines öffentlichen Erinnerungsmediums.
Individueller POI

Standort

Lädt...

1 Kommentar zu „BERLINER BÄR“

  1. Als gebürtige Berlinerin mit verzweigten Wurzeln nach Rüsselsheim, freut es mich zu entdecken, dass die Ursprünge der kreativen Momente in Verflechtung meiner Heimatstadt stehen. Obwohl der Anlass trist ist, mündet es in Posivitiät. -)–(-

Schreibe einen Kommentar zu Nasiha Berlinerin Kommentieren abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen