HEIMATVEREIN

Heimatverein Rüsselsheim – Das Gedächtnis der Stadt

Es gibt Orte, die sind mehr als nur Gebäude, Sammlungen oder Archive. Sie sind Speicher der Zeit, Räume voller Erinnerungen und Fragmente vergangener Leben. Der Heimatverein Rüsselsheim ist für mich genau das – ein Offspace, nicht im Sinne eines experimentellen Kunstraums, sondern als ein Ort, der sich außerhalb der kommerziellen Wahrnehmung bewegt, aber die Essenz der Stadt bewahrt. Ein Raum des Widerstands gegen das Vergessen.

Geschichte bewahren, Identität erhalten

Als ich die Artmap ins Leben rief, war mir klar, dass ich nicht nur die gegenwärtige Kunst im öffentlichen Raum sichtbar machen wollte, sondern auch die verlorenen und verborgenen Geschichten der Stadt. In den Archiven des Heimatvereins habe ich nach Spuren gesucht – nach Orten, die vergessen, nach Menschen, die übersehen wurden. Besonders als ich das Chausseehaus wiederbelebt habe, bin ich tief in die Fotoarchive des Vereins eingetaucht. Die Bilder aus dieser Recherche finden sich nun im Artmap-Eintrag zum Chausseehaus – visuelle Brücken in die Vergangenheit.

Der Heimatverein Rüsselsheim wurde 1905 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der Stadt nicht nur zu dokumentieren, sondern auch aktiv im Stadtbild lebendig zu halten. Bereits in den frühen Jahren setzte sich der Verein für den Erhalt des Stadtbildes ein: Ruhebänke wurden aufgestellt, Bäume gepflanzt, Postkartenserien mit Rüsselsheimer Motiven herausgegeben. Damals wie heute geht es nicht um Nostalgie, sondern um Identität.

Zwischen Krieg, Verlust und Wiederaufbau

Das Jahr 1945 markierte einen Bruch – die Auflösung des Vereins durch die amerikanische Militärbehörde nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber schon 1946 wurde der Verein neu gegründet, ein Symbol für die Widerstandskraft der Stadt. Die Festung Rüsselsheim, eines der zentralen historischen Bauwerke der Region, wäre ohne den Einsatz des Heimatvereins vermutlich längst in Vergessenheit geraten. 1954 erwirkte der Verein den Kauf der Festung durch die Stadt, um sie vor dem Verfall zu retten.

Besonders die Jahre 1960-65 waren prägend: erfolgreiche archäologische Ausgrabungen durch Vereinsmitglieder legten Schichten der Stadtgeschichte frei, während in den 1970er Jahren eine Unterschriftenaktion zur Erhaltung des Stadtparks erfolgreich war – ein frühes Zeichen bürgerlichen Engagements für den öffentlichen Raum.

Vom Museum zur lebendigen Erinnerung

Ein Verein wie dieser ist kein Museum im klassischen Sinne – er ist ein lebendiger Organismus, der durch seine Mitglieder getragen wird. Ob es die RUCILIN-Publikationsreihe ist, die seit 1978 erscheint, oder die Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung für den Erhalt der Festung – hier geht es nicht nur darum, Geschichte zu bewahren, sondern sie für die Gegenwart greifbar zu machen.

2002 zeigte sich das auch in der Mitarbeit an der IG Waldfriedhof, einer Initiative zur Erhaltung des Waldfriedhofs unter der Leitung von Elisabeth Ritzert. Orte wie dieser Friedhof, wie die Festung oder das Chausseehaus sind Gedächtnisräume, die durch die Arbeit des Vereins sichtbar bleiben.

Ein Raum außerhalb der Zeit

Für mich ist der Heimatverein ein Offspace, weil er außerhalb der kommerziellen Wahrnehmung existiert, aber dennoch essentiell für die Identität der Stadt ist. In einer Welt, die von Fortschritt und ständiger Bewegung geprägt ist, hält der Heimatverein inne, sammelt, bewahrt und erzählt weiter. Und genau das macht ihn so wertvoll – nicht nur für Rüsselsheim, sondern für alle, die verstehen, dass Zukunft ohne Erinnerung nicht möglich ist.

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