GEFALLENEN EHRENMAL (PARKSCHULE)

Das Ehrenmal von 1930 – Zwischen Mahnmal und Kriegsverherrlichung

In der Kunst und Architektur des frühen 20. Jahrhunderts verschwimmen oft die Grenzen zwischen Gedenken und Verherrlichung, zwischen Mahnmal und Idealisierung. Ein besonders kontroverses Beispiel ist das Ehrenmal, das 1930 von Ludwig Spiegel im Auftrag von Dr. Wilhelm von Opel geschaffen wurde.

Ursprünglich sollte es an die Opfer des Ersten Weltkriegs erinnern, doch die Darstellung folgt einer heroischen Ästhetik, die weit über eine reine Mahnung hinausgeht. Der zentrale „Kriegsheimkehrer“ ist nicht gebrochen oder reflektierend dargestellt, sondern in einer fast übermenschlichen Pose, die an klassische Vergeltungspropaganda erinnert. Die Figur ist nicht nur ein Veteran, sondern ein Soldat, der zur Tat schreitet – ein deutlicher Hinweis auf die politischen Strömungen jener Zeit.

Zwischen Expressionismus und NS-Ästhetik

Formal bewegt sich das Denkmal zwischen Expressionismus und einer Ästhetik, die später von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde. Es zeigt Anklänge an die Monumentalkunst, die in den 1930er Jahren immer stärker zum Ausdruck kam: überdimensionierte, heroische Figuren mit strengen Gesichtszügen und einer körperlichen Erhabenheit, die auf die Überlegenheit der eigenen Nation verweisen sollte.

Die damalige Werkszeitung von Opel, der „Opel-Geist“, kommentierte das Denkmal bei seiner Enthüllung mit folgenden Worten:

„Schaffen wir die unerlässlichen Voraussetzungen für unseren Wiederaufstieg, für unseren endgültigen Sieg und vollenden damit, was unsere Gefallenen erstrebt haben: ein freies, glückliches Volk auf freiem Grund! Diese Erkenntnis verpflichtet aber gegenüber den Toten: Ehren wir ihr Gedächtnis, indem wir ihren Willen vollstrecken.“

Dieser Text zeigt eindrucksvoll, dass das Denkmal nicht nur als Gedenken an die Gefallenen verstanden wurde, sondern auch eine politische Botschaft enthielt, die auf einen erneuten „Wiederaufstieg“ abzielte – ein Narrativ, das in den 1930er Jahren zur Mobilisierung für neue Kriege diente.

Ein Denkmal, das zur Diskussion anregen muss

Während Mahnmale nach dem Zweiten Weltkrieg oft eine deutlich kritischere Auseinandersetzung mit dem Krieg zeigen, bleibt dieses Ehrenmal ein Beispiel für eine Zeit, in der Denkmäler nicht nur an das Leid erinnern, sondern auch zur ideologischen Formung der Gesellschaft genutzt wurden.

Bis heute stellt sich die Frage: Wie gehen wir mit solchen Denkmälern um? Sollten sie als Zeitzeugnisse stehen bleiben oder mit erklärenden Tafeln ergänzt werden, die den historischen Kontext sichtbar machen? In einer Stadt wie Rüsselsheim, die von Migration, Vielfalt und sozialem Wandel geprägt ist, wäre es wichtig, solche Orte nicht unkommentiert zu lassen.

Fazit

Das Ehrenmal von 1930 zeigt, wie eng Kunst und politische Botschaften miteinander verknüpft sein können. Es ist nicht nur ein Mahnmal, sondern auch ein Denkmal für eine vergangene Gedenkkultur, die heute kritisch hinterfragt werden muss. Es erinnert uns daran, dass Gedenken nicht nur aus Erinnerung besteht – sondern auch aus der Verantwortung, die Geschichte nicht zu wiederholen.

Das Ehrenmal für die Gefallenen von Rüsselsheim – Ein umstrittenes Denkmal

Die reiche und nicht immer unumstrittene Geschichte dieses Denkmals zeigt sich schon an der uneinheitlichen Namensgebung in den Quellen. Je nach Dokumentation wird es als „Gefallenenehrenmal“ (Artmap), „Ehrenmal für die Gefallenen des Weltkriegs 1914/1918“ (Stadtarchiv Rüsselsheim) oder „Kriegerehrenmal“ (Einladungsschreiben zur Einweihung 1930) bezeichnet.

Die Ursprünge des Denkmals

Die ersten Initiativen zur Errichtung eines Gedenkortes reichen bis in den Ersten Weltkrieg zurück. Schon 1915 plante der Rüsselsheimer Heimatverein einen Ehrenhain, in dem für jeden gefallenen Soldaten eine Eiche gepflanzt werden sollte (StAR, II, 1). Warum dieses Vorhaben nicht weiterverfolgt wurde, bleibt unklar.

1924 nahm das Projekt erneut Fahrt auf. Der Reichsbund der Kriegsgeschädigten stellte Finanzmittel bereit, und die Stadt sammelte Spenden aus der Bevölkerung. Die Beträge variierten zwischen 50 Pfennig und 20 Mark – ein Zeichen für die breite Unterstützung innerhalb der Bürgerschaft (StAR, II, 1, 34).

Die Großindustriellen Opel als Stifter

1929 traten die Brüder Wilhelm und Fritz Opel als Förderer des Denkmals auf. In einem Brief betonten sie, das Denkmal solle die „Erinnerung an die Toten des Kriegs uns Überlebenden und der Nachwelt wachhalten“ (StAR, II, 1, 36). Die Stadtverwaltung sicherte ihnen dabei zu, dass die Gestaltung ihren Vorstellungen entsprechen werde.

Der Entwurf des Ehrenmals sah eine Reihe von Halbreliefs aus Bronze vor, die „die Geschichte Rüsselsheims in den Kriegs- und Nachkriegsjahren“ abbilden sollten. Eine ursprünglich geplante Figur eines „Genius, der um Frieden fleht“, wurde jedoch verworfen.

Gestaltung und Einweihung

Der Stuttgarter Künstler Ludwig Spiegel erhielt den Auftrag zur Gestaltung des Denkmals, das in der Württembergischen Metallwarenfabrik gegossen wurde (StAR, II, 2, 1). Die Einweihung fand am 23. November 1930 mit einem Festzug statt, der von der Bürgermeisterei im Palais Verna ausging.

Interessanterweise wurden politische Parteien von der Teilnahme ausgeschlossen. Speziell die NSDAP erhielt die Auflage, nicht in Uniform zu erscheinen und keine Parteimitglieder von außerhalb einzuladen (StAR, II, 2, 2). Dies zeigt, dass man sich in der frühen Weimarer Republik noch um eine parteipolitische Neutralität bemühen wollte – ein Vorhaben, das spätestens 1933 obsolet wurde.

Umstrittene Symbolik

Sechzig Jahre lang geriet das Denkmal in Vergessenheit, bis 1990 die Stadtverordnete Jutta Duchmann (Grüne) es als „kriegsverherrlichend“ bezeichnete und damit eine öffentliche Debatte auslöste (Rüsselsheimer Echo, 16.06.1990). Kritiker argumentierten, dass die Darstellung des stolzen Kriegsheimkehrers weniger an ein Mahnmal erinnere als an einen heroischen Aufruf zur Vergeltung.

Besonders umstritten war eine der Bronzetafeln, die laut ursprünglichem Entwurf einen „Fliegerangriff auf eine Fabrikstadt“ zeigen sollte. Während sie 1929 noch als Mahnmal für die Zerstörung gesehen wurde, interpretierte ein Leserbrief von 1990 sie als „von den Opelwerken aufsteigendes Fliegergeschwader“ – eine drastische Verschiebung der Wahrnehmung über die Jahrzehnte hinweg.

Restaurierung und heutiger Standort

2006 wurde das Denkmal abgebaut und restauriert. Dabei erhielt es einen neuen Sockel, bevor es 2007 an der Ecke Ludwig-Dörfler-Allee / Frankfurter Straße wieder aufgestellt wurde, diesmal vor der Cafeteria der Parkschule (Main-Spitze, 26.10.2007).

Historischer Kontext und Kritik

Das Denkmal entspricht dem für die Zwischenkriegszeit typischen Umgang mit Gefallenengedenken. Wie Schmoll (2005, 10) schreibt: „Die militärische Niederlage, Millionen von Kriegstoten, der Untergang der alten Gesellschaft – all das scheint fatal, wenn es nicht einen moralischen Sinn erhält.“ Kriegerdenkmäler dieser Zeit sollten nicht nur erinnern, sondern auch den Zusammenhalt und die nationale Identität stärken.

Die Figurengruppe zeigt einen Soldaten, der von einer Frau ein Zahnrad übernimmt – ein Symbol für die Rückkehr zur Arbeit. Kritiker sehen darin eine Verharmlosung des Krieges, da der Soldat weder verletzt noch gebrochen erscheint. Seine heroische Haltung erinnert eher an die Erzählmuster der NS-Zeit, die den „aufrechten deutschen Krieger“ feierten.

Offene Fragen

Die Deutung bleibt ambivalent: Handelt es sich um einen Heimkehrer, der seinen Platz in der Gesellschaft wieder einnimmt? Oder um einen Soldaten, der gerade in den Krieg zieht und seine Arbeit an die zurückbleibende Frau übergibt?

Unabhängig davon zeigt das Denkmal, dass Gedenken immer eine Frage der Perspektive ist. Während es 1930 als Ehrenmal gefeiert wurde, wird es heute eher als Beispiel für die problematische Erinnerungs- und Denkmalkultur des frühen 20. Jahrhunderts betrachtet.

Fazit

Das Rüsselsheimer Ehrenmal ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich die Bedeutung von Denkmälern über die Zeit verändert. Während es ursprünglich als Ort der Trauer und Ehrung gedacht war, wurde es in späteren Jahrzehnten zunehmend kritisch hinterfragt. Es bleibt eine Herausforderung, wie mit solchen Monumenten umzugehen ist, die zwischen Gedenken, Verklärung und politischer Instrumentalisierung stehen.

Quellen und Literatur

Text und Foto: Aaron Hock & Carina Kühn

  • Heimatspiegel vom 19.01.1931 (StAR).
  • Main-Spitze vom 16.03.2006, 26.10.2007 (StAR).
  • Rüsselsheimer Echo vom 16.06.1990, 21.07.1990 (StAR).
  • StAR II, 1, 32–38.
  • StAR II, 2, 1–2.
  • StAR: Sammlung Denkmäler, Kriegerdenkmal Parkschule.
  • Schmoll, Friedemann (2005). Denkmal. Skizzen zur Entwicklungsgeschichte eines öffentlichen Erinnerungsmediums. In: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde, 47, 1–16.
  • Sturmfels, Wilhelm (1935). Das Ehrenmal für die im Weltkrieg Gefallenen. Die liebe Heimat, 22f.
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