GEFALLENEN EHRENMAL

Das Kriegerdenkmal in Königstädten – Erinnern oder Verklären?

Vor der evangelischen Kirche in Königstädten erhebt sich ein imposantes Denkmal: Ein knieender Soldat auf einem vier Meter hohen Podest, geschaffen vom Bildhauer Daniel Greiner im Jahr 1925. Die massive Skulptur aus Kunststein soll an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnern. Doch während das Denkmal in der Nacht des 13. August 1944 unbeschadet blieb, als Königstädten von britischen Brandbomben getroffen wurde, wirft es heute kritische Fragen zur Erinnerungskultur auf.

Kriegerdenkmäler – Mahnung oder Heldenverklärung?

Kriegerdenkmäler sind in Deutschland überall zu finden. Sie wurden nach den deutschen Einigungskriegen (1864, 1866, 1870/71) und nach den beiden Weltkriegen errichtet. Doch welche Botschaft transportieren sie eigentlich?

Opferperspektive oder Heldenpathos?

• Viele Denkmäler, besonders aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, stellen Soldaten als Helden oder Märtyrer dar – oft in monumentaler Pose.

• Sie glorifizieren häufig den Krieg als ehrenvollen Dienst für das Vaterland, anstatt die Grausamkeit des Krieges zu zeigen.

• Der Schrecken des Krieges und die Frage nach Verantwortung bleiben oft unausgesprochen.

Designrichtlinien der Kriegerdenkmäler

• Viele dieser Denkmäler folgten einem strengen gestalterischen Kanon, der auf Pathos, Monumentalität und Nationalstolzabzielte.

• Soldaten werden oft in heroischer Pose dargestellt – knieend, marschierend oder aufrecht mit Blick in die Ferne.

• Symbole wie Eichenlaub (Stärke), Schwerter (Ehre), Stahlhelme (Pflichterfüllung) oder Kreuze (Opfertod) finden sich häufig auf solchen Denkmälern.

Von der Mahnung zur Verklärung

• In den 1920er-Jahren veränderte sich die Bedeutung von Kriegerdenkmälern.

• Während manche Gemeinden sie als Warnung vor zukünftigen Kriegen verstanden, wurden sie in anderen Fällen genutzt, um nationalistische oder revanchistische Gefühle zu stärken.

• Gerade in der Weimarer Republik entwickelten sich Kriegerdenkmäler oft zu zentralen Orten für rechte und militaristische Gedenkveranstaltungen.

Das Königstädter Denkmal und sein Schöpfer Daniel Greiner

Daniel Greiner (1872–1943) war Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie, einer bedeutenden Künstlergemeinschaft der Jugendstilbewegung. Doch sein Werk für Königstädten hält sich streng an die klassischen Kriegerdenkmäler des 19. Jahrhunderts. Ein weiteres Beispiel seiner Arbeiten ist das Kriegerdenkmal in Bauschheim, das in ähnlicher Form errichtet wurde.

Während andere Werke Greiners eine expressionistische Formensprache aufweisen, bleibt das Denkmal in Königstädten konservativ. Es folgt der tradierten Denkmalästhetik, in der Opferrolle und Heldentum untrennbar miteinander verbunden scheinen.

Kriegerdenkmäler heute – brauchen wir sie noch?

Angesichts der historischen Hintergründe stellt sich die Frage: Wie sollten wir heute mit Kriegerdenkmälern umgehen?

1. Historischer Kontext muss sichtbar sein

• Viele Denkmäler stehen ohne erklärende Tafeln oder Einordnung.

• Gerade im Fall Königstädten wäre eine Ergänzung wichtig, um den historischen Hintergrund des Denkmals und seiner Zeit kritisch zu beleuchten.

2. Neue Denkmäler für den Frieden statt für den Krieg

• In vielen Städten gibt es mittlerweile Mahnmäler für den Frieden statt für Soldaten.

• Wäre es nicht an der Zeit, über neue Denkmäler nachzudenken, die nicht nur an die eigenen Gefallenen, sondern an die Opfer des Krieges auf allen Seiten erinnern?

3. Einbindung in die Bildungsarbeit

• Kriegerdenkmäler sind oft blinde Flecken in der Stadtgeschichte.

• Sie könnten in Schulen und Stadtführungen als kritische Erinnerungsorte genutzt werden.

Fazit – Was tun mit dem Denkmal in Königstädten?

Das Kriegerdenkmal in Königstädten ist ein historisches Dokument, das die Erinnerungskultur seiner Zeit widerspiegelt. Doch heute, fast 100 Jahre nach seiner Errichtung, sollte die Gedenkkultur nicht mehr allein auf die eigenen Gefallenen reduziert werden.

Stattdessen wäre es sinnvoll, das Denkmal kritisch zu hinterfragen:

Wer fehlt in der Erzählung?

Welche Botschaft vermittelt es heute noch?

Welche Lehren ziehen wir daraus für unsere Gegenwart?

In einer Stadt wie Rüsselsheim, die von Migration, kultureller Vielfalt und sozialem Wandel geprägt ist, sollte Gedenken inklusiv und selbstkritisch sein – und nicht nur auf das eigene Leid fokussieren.

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