MUTTER UND KIND

Eine besondere Bronzeplastik an der Goetheschule

Auf dem Vorplatz der Goetheschule im Berliner Viertel findet sich eine besondere Bronzeplastik, die nicht nur durch ihre künstlerische Gestaltung, sondern auch durch ihre Geschichte beeindruckt.

Die Stiftung von Adam Konrad

Gestiftet wurde die Plastik von Adam Konrad, einem gebürtigen Rüsselsheimer, der bis 1944 in Berlin lebte. Aus tiefer Dankbarkeit gegenüber seiner Heimatstadt entschied er sich, dieses Kunstwerk zu spenden. Sein Wunsch war es, Rüsselsheim mit dieser Geste etwas zurückzugeben.

Entstehung und Inspiration

Der Bildhauer Jürgen H. Block entwarf die Bronzefigur, die schließlich 1962 aufgestellt wurde. Der Guss erfolgte in der renommierten Kunstgießerei Schmäke in Düsseldorf. Die Komposition der Skulptur erinnert an das berühmte Gemälde „Goethe in der Campagna“ von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, das den Dichter in nachdenklicher Pose in der italienischen Landschaft zeigt.

Eine Ehrbekundung an die Mutter

Die Plastik stellt eine Hommage an die Mutter dar – ein Thema, das tief in der Kunstgeschichte verwurzelt ist. Ursprünglich war auf der Stirnseite des Sockels eine Bronzetafel mit einem Zitat des deutschen Schriftstellers Wilhelm Raabe angebracht:

“Keine Weisheit der Welt gibt uns das, was uns ein Blick und ein Wort der Mutter geben kann.”

Heute erinnern nur noch zwei Schraubenlöcher im Sockel an die einstige Tafel, die im Laufe der Zeit verloren ging. Trotz dieses Verlusts bleibt die Bronzeskulptur ein wichtiges Kunstwerk im öffentlichen Raum von Rüsselsheim, das nicht nur an Goethe, sondern auch an die unersetzliche Rolle der Mutter erinnert.

Mutter und Kind – Die Bronzeplastik an der Goetheschule

Am 15. Dezember 1962, an einem regnerischen Tag, wurde die Skulptur „Mutter und Kind“ (auch bekannt als „Mutter mit zwei Kindern“) vor der Rüsselsheimer Goetheschule, einer Grund- und Hauptschule, eingeweiht. Für ihren Stifter Adam Konrad war dies ein ganz besonderer Moment (Rüsselsheimer Echo, 17.12.1962).

Die Bronzeplastik und ihre Gestaltung

Die Skulptur zeigt eine erwachsene Frau, die mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einer Art Récamiere sitzt, sowie zwei Kinder, die sich an ihre Seiten schmiegen:

  • Zu ihrer rechten Seite kniet ein Mädchen mit Rock, Hemd und geflochtenem Zopf, das die Hand der Frau hält und sie direkt anschaut.
  • Zu ihrer linken Seite lehnt ein weiteres Kind – sein Geschlecht ist nicht eindeutig erkennbar – mit dem Oberkörper auf ihrem Schoß. Die Frau hält ihren Arm über seinen Nacken und greift nach der Hand des Mädchens.

Das Denkmal befindet sich seit seiner Einweihung zwischen dem Parkplatz und dem Haupteingang der Goetheschule im Berliner Viertel.

Die Einweihungsfeier

Die feierliche Enthüllung wurde musikalisch durch den Gesangverein „Volkschor“ und den Schülerchor der Grundschule begleitet. Unter den Anwesenden waren:

  • Der damalige Stadtrat Alfred Schmidt
  • Der Bildhauer und Künstler Jürgen H. Block
  • Der Stifter des Denkmals Adam Konrad

In seiner Ansprache betonte Block, dass er mit den Blickrichtungen und den geöffneten Mündern der Figuren den Dialog zwischen Mutter und Kindern ausdrücken wollte. Eine Bronzetafel am Sockel trug damals ein Zitat von Wilhelm Raabe:

“Keine Weisheit der Welt gibt uns das, was uns ein Wort und ein Blick der Mutter gibt.”

– Wilhelm Raabe, Inschrift auf der ursprünglichen Gedenktafel

Diese Bronzetafel ist heute nicht mehr erhalten. Die letzte dokumentierte Aufnahme mit der Inschrift stammt aus dem Jahr 1978 und befindet sich im Archiv des Heimatvereins Rüsselsheim.

Adam Konrad – Der Stifter

Der Lebensweg von Adam Konrad liefert interessante Anhaltspunkte für die Bedeutung des Denkmals:

  • Geboren am 18. April 1887 in Rüsselsheim, erlernte er den Beruf des Drehers bei Opel.
  • Nach seinem 18. Lebensjahr zog er nach Berlin, besuchte dort die Ingenieursschule und engagierte sich in der Gewerkschaftsbewegung.
  • Als Vorsitzender im Werkmeisterverband Groß-Berlin wurde er 1933 abgesetzt und in ein Lager eingewiesen.
  • Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er für die Firma Henschel und Sohn.
  • Nach dem Krieg wurde er Bürgermeister in Johannisthal, bis er 1953 im Zuge des Volksaufstands in der DDR entlassen wurde und in den Westen floh.
  • Nach dem Tod seiner Frau Charlotte Marie Konrad (1957) kehrte er 1958 nach Rüsselsheim zurück.
  • Er verstarb am 27. Dezember 1965 in Rüsselsheim.

Die gesellschaftliche Bedeutung des Denkmals

Stadtrat Schmidt bezeichnete Konrads Verhältnis zu seiner Mutter als „das innigste Verhältnis, das es in der menschlichen Gemeinschaft gibt“ (Rüsselsheimer Echo, 17.12.1962).

Das Denkmal war für Adam Konrad nicht nur eine Ehrung der Mutterfigur, sondern auch ein persönliches Erinnerungszeichen an seine verlorenen Söhne und eine symbolische Geste der Dankbarkeit an seine Heimatstadt.

Die Skulptur transportiert ein Frauenbild, das heute überhöht und idealisiert erscheint. Während dieses Mutterbild in der NS-Zeit instrumentalisiert wurde, war es auch in der Nachkriegszeit noch stark verbreitet. Erst mit den gesellschaftlichen Veränderungen in den späten 1960er-Jahren und der feministischen Bewegung kam es zu einer neuen Betrachtung solcher Darstellungen.

Heute ist das Denkmal weitgehend aus dem kulturellen Gedächtnis Rüsselsheims verschwunden. Adam Konrad hätte sich vermutlich gewünscht, dass seine Stiftung erhalten bleibt und weiterhin als Ort der Erinnerung dient.

Quellen und Literatur

Literatur:

  • Göckes, Robin (2016). Kunst in Rüsselsheim. Warum die SPD im Opel Kapitän über Kunst nachdenkt. Zum Artikel
  • Schmoll, Friedemann (2005). Denkmal. Skizzen zur Entwicklungsgeschichte eines öffentlichen Erinnerungsmediums. Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde, 47, 1–16.
  • SPD Rüsselsheim (2016). Kunst im öffentlichen Raum in Rüsselsheim. Zum Artikel

Quellen:

  • HHStAW (Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden). Geburtsregister Rüsselsheim.
  • LaB (Landesarchiv Berlin). Namensverzeichnis zum Heiratsregister der Berliner Standesämter 1912.
  • Main-Spitze vom 17. Dezember 1962 (Stadtarchiv Rüsselsheim).
  • Rüsselsheimer Echo vom 17. Dezember 1962 (Heimatverein Rüsselsheim 1905 e.V.).
  • Rüsselsheimer Echo vom 19. Oktober 2017: Denkmäler in Schulen und Kindergärten.
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