MINI MUNDUS

Mini Mundus – Die Brücke ins Spielerische

Mini Mundus. Zwei Worte, die in sich schon eine eigene Welt tragen. Der lateinische Ausdruck bedeutet „kleine Welt“ – eine Nachbildung, eine Miniatur unserer Realität, ein Ort, der das Große im Kleinen zeigt. Mitten im Ostpark, auf dem heutigen Discgolf-Gelände, steht seit 1991 eine Miniaturbetonbrücke im Maßstab 1:6. Ein verstecktes Fragment, das auf den ersten Blick deplatziert wirkt – aber wer genau hinsieht, erkennt, dass hier eine Idee gebaut wurde.

Wer dahinter steckt? Natürlich die Wendemaler. Sie begannen einst mit Wandbildern, setzten farbige Akzente auf grauen Fassaden, doch mit der Zeit veränderten sich ihre Interventionen. Ihre Kunst wurde dreidimensional – Betonskulpturen in den Unterführungen der Varkausstraße, der Umweltrechner am Umweltamt, und eben diese kleine Brücke mitten im Nirgendwo.

Ich kenne das Gelände gut. Am letzten Schultag, nach den finalen Abiklausuren, war dies unser Treffpunkt. Schüler:innen aus allen Gymnasien kamen hier zusammen, ein Übergang, ein Moment des Feierns, bevor etwas Neues begann. Damals war die Brücke einfach da – kaum beachtet, unauffällig, ein stiller Zeuge dieser Übergänge.

Doch warum ausgerechnet hier? Warum eine Brücke, die nirgendwo hinführt? Diese Frage hat mich lange begleitet. Bis ich auf eine Antwort stieß – in den Gedanken des niederländischen Kunsthistorikers Johan Huizinga. Er sagte: „In der Sphäre eines Spiels haben die Gesetze und Gebräuche des gewöhnlichen Lebens keine Geltung.“

Und nichts ist langweiliger als ein gewöhnliches Leben, das einem von anderen diktiert wird.

Auch Räume werden uns vorgegeben – sie sind gebaut, geplant, funktionalisiert. Doch was passiert, wenn wir uns einen Raum spielerisch aneignen? Wenn wir ihn neu denken, ihn fremd machen – für uns selbst und für andere?

Die kleine Brücke im Ostpark ist genau das: eine künstlerische Intervention, die Raum durch Reduktion neu definiert. Sie überbrückt nichts, aber sie schafft einen Freiraum. Sie lädt ein, sich zu fragen: Wie kann ein Ort zu einem neuen Ort werden? Was passiert, wenn wir vorgegebene Strukturen nicht einfach akzeptieren, sondern sie hinterfragen?

Vielleicht ist die Brücke genau deshalb hier. Weil sie uns zeigt, dass Raum mehr ist als das, was wir vorfinden. Dass wir nicht nur Bewohner einer Stadt sind, sondern auch ihre Gestalter. Dass Kunst nicht nur Dekoration ist, sondern ein Spiel mit Möglichkeiten.

Und vielleicht ist das die eigentliche Brücke, die hier gebaut wurde. Nicht aus Beton, sondern aus Gedanken.

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