STELLA LORENZ

ARTSbesuch mit Dr. Stella Lorenz – Die Kraft des geschriebenen Wortes

Ein Wiedersehen mit vertauschten Rollen

Neugier treibt mich zu jedem ARTSbesuch, doch heute mischt sich etwas anderes darunter – eine leichte Aufregung. Ich darf Stella Lorenz besuchen, genauer gesagt Dr. Stella Lorenz. Sie schreibt aus Berufswegen, mit geschliffenem Stil und präziser Wortwahl. Als Amateurschreiberling habe ich großen Respekt davor.

Der Frühling liegt in der Luft, die Sonne wärmt sanft, und ich bin dankbar, dass sie sich die Zeit nimmt. Es ist ein Wiedersehen, doch heute sind die Rollen vertauscht. Früher war es Stella, die mich interviewte, für das Rüsselsheimer Echo. Das erste Gespräch über die Artmap, dann folgten Berichte über Ausstellungen, das Chausseehaus, Kunst im Stadtraum. Jetzt sitze ich auf der anderen Seite. Wir nehmen im Garten Platz. Das Gespräch ist vertraut, die Gedanken ähnlich – als hätten sie sich längst irgendwo zwischen den Zeilen getroffen.

Gemeinsame Nachbarschaft

Ich frage, wo sie aufgewachsen ist, und stelle überrascht fest: schräg gegenüber von mir. In Königstädten, nur dass ich erst nach meiner Rückkehr nach Rüsselsheim dort hingezogen bin. Ein unerwartetes, fast beiläufiges Detail, das plötzlich Nähe schafft.

Ihr Abitur macht sie an der Immanuel-Kant-Schule. Als sie von zwei Lehrern erzählt, die sie besonders prägten, frage ich nach. Einer davon war ihr Englischlehrer – Herr Hunger. Mein Gesichtsausdruck verrät alles. Bernd Hunger? Sie ist überrascht, nickt. Ich bin sprachlos. Auch mein Lehrer. Auch für mich prägend. Ich erzähle von seinem unkonventionellen Unterricht, wie er mir Zeitungsartikel mitbrachte, die meine Interessen trafen, wie er meine Neugier für Kultur weckte. Stella teilt diese Verbindung. Der Kontakt zu ihm besteht bei ihr bis heute.

Während ihrer Schulzeit singt sie im Chor, spielt Klavier und Cello, bleibt der IKS Big Band bis heute treu. Musik war immer Teil ihres Lebens, genauso wie Sprache. Doch der Gedanke, dass sie einmal schreiben würde, war damals noch fern.

Schreiben als Teil der Kultur

Nach dem Abitur entscheidet sie sich für das Studium „Kunst, Musik und Medien: Organisation und Vermittlung“ an der Philipps-Universität Marburg, gefolgt von einem Master in Medienentwicklung an der Hochschule Darmstadt. 2023 promoviert sie in Medienkulturwissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Während ihres Studiums absolviert sie ein Auslandspraktikum in Bristol, arbeitet bei der BBC – und es ist wieder Bernd Hunger, der sie ermutigt, einen Blog zu schreiben. Stella merkt schnell: Schreiben über Kultur ist nicht nur Beobachtung, sondern Beteiligung. Sie konsumiert nicht einfach, sondern wird durch ihre Texte ein Teil des kulturellen Geschehens.

Nach ihrer Rückkehr ist der Drang, sich schreibend einzubringen, größer denn je. Sie bewirbt sich als freie Journalistin beim Rüsselsheimer Echo – und überzeugt Angelika Ohliger, ihr die Kulturberichterstattung anzuvertrauen. Fünf Jahre lang begleitet sie Formate, Künstler:innen, schreibt über Entwicklungen, bevor sie schließlich Redakteurin wird.

kunstraum. – Kultur als Plattform

Ein Bericht über den kunstraum. verändert ihre Perspektive.

Der kunstraum. Rüsselsheim ist ein unabhängiger Projektraum für regionale Künstler:innen, der temporäre Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und experimentelle Formate ermöglicht. Er wurde von Mattis Schneider gegründet, mit dem sich Stella nach ihrem Artikel über den Raum verbindet. Was als Berichterstattung beginnt, wird zur Beteiligung. Seit 2021 führt sie den kunstraum. als One-Woman-Show. Zwei Jahre lang bleibt es still – bis jetzt. Am 05.09.2025 kehrt der kunstraum. zurück.

Die Stimme für Kultur

Christian Bihn tritt an sie heran mit einer Idee: einen Podcast über Kunst und Kultur zu starten. So entsteht steilzeit – eine Plattform für Gespräche über Kultur, Stadt und Gesellschaft. Das Logo entwirft Thomas Marutschke, der auch das Cover ihrer Dissertation gestaltet. Das Netz aus Kunst, Kultur und Journalismus verknüpft sich weiter.

Ein weiteres Projekt formt sich: Ein Festival. Sie konzipiert es mit – So entsteht das BEL R! Festival, ein interdisziplinäres Open Air Kunstfestival in Rüsselsheim, das Musik, Bildende Kunst und Performance verbindet. Kultur wird nicht nur gezeigt, sondern gelebt.

Die Bedeutung von Kulturberichterstattung

Doch während sie sich immer weiter in das Kulturschaffen einbringt, wird ihr bewusst, wie wichtig Kulturberichterstattung ist – und wie sehr sie fehlt, wenn sie verschwindet. Rüsselsheim kämpft mit vielen Themen, doch wenn über Kultur nicht mehr geschrieben wird, fehlt der Diskurs. Es fehlt der Resonanzraum. Kultur lebt nicht nur durch die, die sie schaffen, sondern auch durch die, die darüber sprechen, die sie reflektieren, die sie sichtbar machen.

Kultur verbindet, sie prägt. Sie ist nachhaltig, essenziell für eine Stadt, die sich immer wieder neu erfinden muss. Doch oft wird sie auf Kosten reduziert. Wenn die Berichterstattung verschwindet, bleibt Kultur unsichtbar, verliert ihre Strahlkraft.

Stella schreibt inzwischen für die FAZ, berichtet noch immer über Kultur in Rüsselsheim. Sie versteht die Presse als vierte Gewalt, als Möglichkeit, Themen eine Bühne zu geben. Mehr noch: Sie sieht sich als Katalysator für eine Szene, die sich ständig weiterentwickelt.

Ein Gespräch, das nachhallt

Während wir im Garten sitzen, die Nachmittagssonne langsam weicher wird, denke ich über unsere Gespräche nach. Stella schreibt über Kultur – doch sie ist mehr als Beobachterin. Sie ist Vermittlerin, Netzwerkerin, Motor.

Die Rollen mögen heute vertauscht sein. Doch in Wahrheit sitzen wir auf derselben Seite.

Denn ohne das Wort bleibt Kultur stumm.

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