BENGT FOSSHAG

Zwischen Strichen, Sprache und Welten

Auf dem Weg zu Bengt erinnere ich mich an unsere erste Begegnung. Roots of Liberty, meine Ausstellung bei MITCH. Es war Mitch, der mich anrief, nachdem er mein Buch entdeckt hatte, und fragte, ob ich nicht Lust hätte, meine Bilder dort auszustellen. Ich sagte zu. An dem Abend war einer der zahlreichen Besucher Bengt. Er betrachtete meine Werke, dann dieser Satz: „Mach weiter so.“ Ein einfacher Satz, aber einer, der bleibt. Motivation in wenigen Worten.

Seither treffen wir uns immer wieder. Mal tauschen wir uns über Kunst aus, mal schlägt Bengt etwas für die Artmap vor. Heute bin ich wieder bei ihm, der Empfang ist wie immer herzlich. Wir setzen uns an seinen runden Holztisch. Ein Tisch mit Geschichte – unzählige Illustratoren haben hier schon Platz genommen.

Von Rüsselsheim aus die Welt illustrieren

Bengt ist im Ramsee aufgewachsen, sein Leben lang mit Rüsselsheim verbunden, auch wenn sein beruflicher Mittelpunkt in Frankfurt lag. Er hat immer gezeichnet. Sein Onkel erkannte früh sein Talent. Nach dem Kant-Gymnasium folgt das Grafikdesign-Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach.

Zunächst arbeitet er für verschiedene Werbeagenturen, bevor er 1970 das Studio SIGN gründet, unverkennbar mit dem Stop-Schild als Logo. 1983 fällt dann die endgültige Entscheidung: Von nun an nur noch Illustration.

Dann kommt der Auftrag von McCann Erickson, einer der größten internationalen Werbeagenturen. Die Deutsche Bahn braucht für ihre „Rosaroten Wochen“ ein Symbol. Bengt hat 48 Stunden Zeit. Er entwirft einen rosaroten Elefanten – der Rest ist Geschichte. Sein Durchbruch. Es folgen zahlreiche Auszeichnungen und deutschlandweit bekannte Figuren, die Bengts Handschrift tragen. Egal ob Elefant, Frosch oder die sehr beliebte Mord-Kochbuchreihe bei Gerstenberg.

Sein Ziel: Für die FAZ zu arbeiten. Jahrelang bleibt es ein Wunsch, bis eine Wendung kommt. Die Agentur TRUST verschenkt jährlich ein Weihnachtsbuch mit Illustrationen. Irgendwann landet es bei den richtigen Leuten. Das FAZ Magazin verwendet eine seiner Weihnachtsillustrationen als Cover. Ab den 90ern ist Bengt regelmäßig für die FAZ-Sonntagsausgabe und das Magazin tätig. Bis in die 2000er hinein erscheinen seine unverkennbaren, oft wortwitzigen Illustrationen. Ein Stil, der bleibt.

Es folgen unzählige Buchillustrationen, Covergestaltungen, Titelbilder. Aber Bengt bleibt nicht nur Illustrator für Verlage. Er ist jemand, der sich für Kunst in seiner Stadt engagiert.

Rüsselsheim als Inspiration und Wirkungsraum

Seine ersten Projekte in der Stadt entstehen durch eine Zusammenarbeit mit dem Bücherhaus Jansen. Jansen bringt den Gedanken ins Spiel, Illustrationen als Prints zu verkaufen – Bengt ist begeistert. Mit der Rüsselsheim Edition entsteht eine Zusammenarbeit und wird zum ersten Anker für Illustration in der Stadt.

Dann organisiert Bengt den Vorläufer von illust_ratio. Er holt renommierte Illustratoren nach Rüsselsheim, bringt sie in die erste Ausstellung bei MITCH. Michael Emig gibt dem Ganzen einen Namen: illust_ratio. Karl-Heinz Becker erkennt das Potenzial und integriert es in den Kunstverein Rüsselsheim und Jo Dreiseitel damaliger Bürgermeister unterstützt es. Heute ist illust_ratio eine feste Institution.

Auch die Königstädter Hofkonzerte kommen auf Bengt zu. Seit Jahren gestaltet er ihre Plakate. Eine Verbindung mit persönlicher Geschichte: Sein Großvater Adam Fosshag war Lehrer in Königstädten. Die Hofkonzerte widmen ihm ein eigenes Theaterstück. Eine Form der künstlerischen Rückkehr.

Wer Bengt begegnet, begegnet auch anderen Künstlern. Thomas Marutschke, ein weiterer Rüsselsheimer Illustrator, assistierte während seines Studiums bei Bengt. Eine Verbindung zwischen Generationen, zwischen Lehrer und Schüler, zwischen verschiedenen Handschriften, die sich gegenseitig inspirieren.

Kunst im Stadtbild

Wer mit offenen Augen durch Rüsselsheim geht, begegnet Bengts Arbeiten immer wieder. Das bekannte Plakat gegen Fluglärm. Die Busgestaltung der Stadtwerke während des Hessentags. Seine Emaille-Arbeit für die Wellenlänge. Seine Kunst ist nicht nur auf Papier, sie bewegt sich mit der Stadt.

Keine Pause – Ein Leben voller Striche

Ans Aufhören denkt Bengt nicht. Er ist nachtaktiv, seine Sketchbooks füllen sich immer weiter. Immer noch analog, Tusche und Aquarell. Immer noch der Moment, in dem eine Linie eine Geschichte erzählt.

Mehrere Buchveröffentlichungen begleiten sein Werk. „Die Darwin-Inseln“ etwa – ein tiefgründiger Blick auf Evolution und Natur, illustriert in seinem unverkennbaren Stil.

Seine Inspiration? Der Alltag. Doch immer wieder taucht Afrika auf. Seine Faszination für den Kontinent zeigt sich nicht nur in seinen Arbeiten, sondern auch in Figurensammlungen und Tonarbeiten, die er bei sich zuhause hat.

Der Einfluss – Die ganze Welt

Die Einflüsse reichen noch weiter zurück. Nicht nur aussereuropäische Strömungen, die Künstler wie Picasso oder Gauguin inspirierten, hinterlassen auch in Bengts Arbeiten Spuren. Die Idee, dass ursprüngliche, nicht-akademische Kunst eine tiefere Wahrheit transportiert, zeigt sich in seiner Art, Formen zu reduzieren, Figuren in klaren, direkten Linien darzustellen. Eine klare Formensprache, die Emotion statt Perfektion sucht. Aber auch die Tier- und Pflanzenwelt ist ein schier unendlicher Ideengeber.

Ein Künstler, der bleibt

Bengt ist nicht nur ein Illustrator, nicht nur ein Künstler, der seine Figuren für Verlage und Plakate erschafft. Er ist ein Geschichtenerzähler mit Linien. Ein Netzwerker, der Kunst nach Rüsselsheim geholt hat. Ein unermüdlicher Beobachter, der seine Stadt, seine Umgebung und die Welt in seinen Skizzen einfängt.

Und während wir am runden Tisch sitzen, spüre ich es wieder: Hier wurde viel erzählt, gezeichnet, gedacht. Und es wird weitergehen.

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